Full text: Preußisches Staatsrecht.

$ 2. Das Staaterecht des Allgemeinen Landrechts. 59 
das „Nothrecht“, wie es in Einl. 88 74, 75 statuiert war, 
gegen einzelne Rechtssubjekte Anwendung. Doch ge- 
stand Suarez im Falle äußerster Staatsgefahr auch 
die Möglichkeit zu, daß das Staatsoberhaupt ganze 
Gruppen wohlerworbener Rechte und ohne Ent- 
schädigung beseitige — selbstverständlich vermittelst 
der potestas legislatoria. 
Das volle Staatsbürgerrecht im hohenzollernschen 
Gesamtstaat besaßen indessen nicht alle Angehörigen 
desselben, sondern nur die Bekenner der sogenannten 
drei Reichskonfessionen, welche bereits durch das 
Wöllnersche Religionsedikt vom 9. Juli 1788 in der 
ganzen Monarchie rechtlich gleichgestellt waren. 
Immerhin billigt bereits das A.L.R. jedem Einwohner 
des Staates persönlich eine vollkommene Glaubens- und 
Gewissensfreiheit und jedem Hausvater die Anordnun 
seines häuslichen Gottesdienstes (devotio domestica) nac 
Gutbefinden zu und erklärt: „Die Begriffe von Gott und 
öttlichen Dingen, der Glaube und der innere Gottes- 
ienst können kein Gegenstand von Zwangsgesetzen sein“ 
($ 1£, II 11. „Auch der Staat kann vom einzelnen 
Unterthan die Angabe, zu welcher Religionspartei sich 
derselbe bekenne, nur alsdann fordern, wenn die Kraft 
und Gültigkeit gewisser bürgerlicher Handlungen davon 
abhängt“ (wichtig für Eheschließung. II 1 836, ;,156 ff.; 
für Eidesfrage. A.G.O. I 10). ur die Verbindung 
mehrerer Landeseinwohner zu gemeinsamer Religions- 
übung (Religionsgesellschaft) war staatlicher Genehmigung 
bedürttig. Die zur öffentlichen Feier des Gottesdienstes 
verbundenen Religionsgesellschaften nannte das A.L.R. 
Kirchengesellschaften“ ($ 11), und der $ 12 verpflichtete — 
behufs Wahrung der äußeren staatlichen Ordnung — jede 
Kirchengesellso aft, „ihren Mitgliedern Ehrfurcht gegen 
die Gottheit, Gehorsam gegen die Gesetze, Treue gegen 
den Staat, und sittlich gute Gesinnungen gegen ihre Mit- 
bürger einzuflößen“. rundsätze, welche gegen diese 
Verpflichtung verstießen, durften auf staatliche Anordnung 
im Lande nicht gelehrt, noch mündlich oder in Volks- 
schriften ausgebreitet werden ($ löff.. Die erlaubten 
Kirchengesellschaften gliedert das A.L.R. in „die vom 
Staat ausdrücklich aufgenommenen“, d. h. solche, welche 
das exercitium religionis publicum in vollem Umfange 
haben (ecclesiae absolute receptae $ 17), und in die vom 
Staat „bloß geduldeten“, d. h. solche, die nur das Recht
	        
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