$ 3. Die Entstehung des preußischen Einheitsstaates. 69
der Regierten. Demgemäß führte in den Angelegenheiten
der Stadtgemeinde das wirklich entscheidende Wort der
Steuerrat — „ein Mann, der laut seines Prüfungszeug-
nisses oft nicht Regierungsrath werden sollte, aber doc
für tauglich galt, 10-12 Bürgerschaften zu regieren“ —
und die Kriegs- und Domänenkammer. Das Kämmerei-
und Sozietätsvermögen wurde nach Etats verwaltet, die
von dem Steuerrat, der Kammer, der Oberrechnungs-
kammer und der Generalkontrolle revidiert und dann von
den Landesbehörden vollzogen wurden. Überschreitungen
einzelner Etatstitel konnte nur die Staatebehörde dechar-
gieren. Sämtliche Kämmerei- und Sozietätsrechnungen
wurden vom Steuerrat, von der Kammer und der Öber-
rechnungskammer revidiert. Die Magistrate ergänzten
sich En einigen Orten durch eigene Wahl; meist wurden
sie höheren Orts ernannt. Die Stellen vieler Bürger-
meister, Kämmerer, Ratsherren usw. galten oft für eine
bequeme Versorgung invalider Feldwebel und Unter-
offiziere, welche ohne Rücksicht auf ihre Fähigkeiten in
die Magistrate hineingeschoben wurden. Oft wollte kein
rechtlicher und tüchtiger Bürger sich dazu verstehen, den
Posten eines Bürgermeisters oder Ratsherrn in einer
kleinen Stadt zu übernehmen, weil der Garnisonchef sich
herausnehmen durfte, ihn in ein untergeordnetes Ver-
hältnis zu stellen, ihm grobe Vorwürfe zu machen und
wohl mitunter auch ihn zu mißhandeln. „Aber der Tag der
Prüfung blieb — wie Dahlmann bemerkt — nicht aus, da
man inne ward, es sei das Volk an Kraft und Mut ver-
stümmelt, seit man es in seinen wichtigsten Gliedmaßen,
den Gemeinden, verstümmelt.“
So erließ Friedrich Wilhelm III. unter den ersten
Reformgesetzen des entstehenden preußischen Einheits-
staates „aus Königlicher Macht und Vollkommenheit“
für sämtliche Städte der Monarchie unter radikaler Be-
seitigung aller entgegenstehenden Bestimmungen die
Städteordnung vom 19. November 1808 in der erklärten
Absicht, den Bürgergemeinen „eine thätige Einwirkung
auf die Verwaltung des Gemeinwesens beizulegen und
durch diese Theilnahme Gemeinsinn zu erregen und zu
erhalten“. Das Ziel der Städteordnung war nach Dahl-
manns Wort: „Die Städte sollen selbständig, aber
nicht, wie vor Alters, Staat im Staate sein. Darum
sollen sie wiedererhalten, wo man ihnen diesen ge-