Full text: Handbuch für Preußische Verwaltungsbeamte. Erster Band. (1)

10286 Abschnitt XIX. Enteignungs-Gesetz. 
Wird nur ein Theil des Grundbesitzes desselben Eigenthümers in Anspruch 
genommen, so umfaßt die Entschädigung zugleich den Mehrwerth, welchen der 
#bzutretende Theil durch seinen örtlichen oder wirthschaftlichen Zusammenhang 
mit dem Ganzen hat, sowie den Minderwerth, welcher für den übrigen Grund- 
besitz durch die Abtretung entsteht ). !855 
§. 9. Wird nur ein Theil von einem Grundstück in Anspruch genommen, 
so kann der Eigenthümer ?) verlangen, daß der Unternehmer das Ganze gegen 
Entschädigung übernimmt, wenn das Grundstück durch die Abtretung so zer- 
stückelt:) werden würde, daß das Restgrundstück nach seiner bisherigen Bestim- 
mung!“) nicht mehr zweckmäßig benutzt werden kann. „ 
Trifft die geminderte Benutzbarkeit nur bestimmte Theile des Restgrund- 
stücks, so beschränkt sich die Pflicht zur Uebernahme auf diese Theile. 
Bei Gebäuden, welche theilweise in Anspruch genommen werden, umfaßt 
diese Pflicht jedenfalls") das gesammte Gebäude?). 6 
Bei den Vorschriften dieses Paragraphen ist unter der Bezeichnung Grund- 
stück jeder in Zusammenhang stehende Grundbesitz des nämlichen Eigenthümers 
begriffen. 
6 10. Die bisherige Benutzungsart kann bei der Abschätzung nur bis zu 
demjenigen Geldbetrage Berücksichtigung finden, welcher erforderlich ist, damit 
der Eigenthümer ein anderes Grundstück in derselben Weise und mit gleichem 
Ertrage benutzen kann?). 
Eine Wertherhöhung, welche das abzutretende Grundstück erst in Folge 
der zienr Anlage enthält, kommt bei der Bemessung der Entschädigung nicht 
n Anschlag ?). 
§. 11. Der Betrag des Schadens, welchen Nutzungs-, Gebrauchs= und 
Servitutberechtigte?), Pechter und Miether durch die Enteignung erleiden, ist 
  
) Bei Feststellung des Minderwerths kann die Art der Benutzung der enteig- 
neten Fläche durch den Erwerber mit in Betracht gezogen werden, Erk. R. G. 23. Mai 
1881 (E. Civ. V. 248) und 21. Sept. 1882 (E. Civ. VII. 258). 
Der Zusammenhang braucht kein unmittelbarer und thatsächlicher zu sein. 
Ein wirthschaftlicher Zusammenhang liegt auch vor, wenn das enteignete Grundstück 
geeignet ist, den wirthschaftlichen Bedürfnissen des Ganzen zu dienen und diesem 
Zwecke gedient hat, Erk. R. G. 17. Juni 1884 (E. Civ. XIII. 244). 
*) Dieses Recht steht nur dem Eigenthümer, nicht auch dem Unternehmer zu, 
Res. 8. März 1879 bei Seydel S. 64. Der Eigenthümer muß das in Rede stehende 
Verlangen in dem ersten Termin, welcher zur Feststellung der Entschädigung stattfindet, 
stellen, vergl. §. 25 al. 7. 6 
*) Darunter ist jede Verkleinerung zu verstehen, Komm. Ber. A. H. 1873/74, 
Anl. S. 971. 
4) Auf eine nur beabsichtigte Verwendung findet die obige Bestimmung keine 
Anwendung, Erk. R. G. 13. Juli 1880 (Braun, Ann. R. G. II. 391). 
*) Das Wort „jedenfalls“ soll ausdrücken, daß bei Enteignung eines Gehäude- 
theiles sich §. 9 stets auf das ganze Gebäude bezieht, daß unter Umstäuden aber auch 
noch sonstiges Areal, das mit dem Gebände in Verbindung steht, darunter fallen kann, 
Komm. Ber. A. H. 1871/72, Anl. S. 1209. 
6) Einschl. der Grundfläche, Rekursbesch. 2. Okt. 1878 bei Seydel S. 64, E. 
Civ. II. 279. 
7) Die bisherige Benutzungsart ist ein Beweismittel für die Benutzungsfähigkeit; 
sie gewährt deshalb keinen Anspruch auf Entschädigung über den vollen Werth hinaus. 
:) Auch bei Theilenteignungen darf die Werthserhöhung, die das dem Eigen- 
thümer verbleibende Restgrundstück erst durch die Anlage erfährt, dem Enteigneten bei 
Abmessung der Entschädigung für die abgetretene Fläche nicht augerechnet werden, 
Komm. Ver. A. H. 1871/72 Anl. S. 1208; A. M. Löbell S. 69 ff. 
*) Für die Entziehung der bloß prekären (unentgeltlichen leihweisen) Benutzung 
einer Sache kann keine Entschädigung verlangt werden, Erk. O. Trib. 14 Jan. 1876 
(Strieth. Arch. XCV. 137). (Un casu war dem Kläger die Möglichkeit entzogen worden, 
von der ihm vergünstigungsweise ertheilten Erlaubniß zur Entnahme von Wasser aus 
einem Brunnen, fernerhin Gebrauch zu machen.) Bei theilweiser Enteignung eines 
Pachtguts finden A. L. R. I. 21 858. 420, 421 keine Anwendung, Erk. O. Trib.
	        
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