Full text: Handbuch für Preußische Verwaltungsbeamte. Erster Band. (1)

Abschnitt XIX. Enteignungs-Gesetz. 1037 
#§. 27. Zu der kommissarischen Verhandlung sind ein bis drei Sachver- 
ständige zuzuziehen, welche von dem Regierungspräsidenten entweder für das 
ganze Unternehmen oder einzelne Theile desselben zu ernennen sind. Doch steht 
auch den Betheiligten zu, sich vor dem Abschätzungstermine über Sachverständige 
zu einigen und dieselben dem Kommissar zu bezeichnen. 
Die ernannten Sachverständigen müssen die in den betreffenden Prozeß- 
gesetzen vorgeschriebenen Eigenschaften ) eines völlig glaubwürdigen Zeugen 
besitzen; dieselben dürfen insbesondere nicht zu denjenigen Personen gehören, 
die selbst als Entschädigungsberechtigte von der Enteignung betroffen sind. 
§. 28. Das Gutachten wird von den Sachverständigen entweder mündlich 
zu Protokoll erklärt oder schriftlich eingereicht. Dasselbe muß mit Gründen 
unterstützt und beeidet:) werden. Sind die Sachverständigen ein= für allemal 
als solche vereidet, so genügt die Versicherung der Richtigkeit des Gutachtens 
auf den geleisteten Eid im Protokoll oder unter dem schriftlich eingereichten 
Gutachten. 
Den Betheiligten ist vor der Entscheidung des Bezirks-Ansschusses (§. 29) 
Gelegenheit zu geben, über das Gutachten sich auszusprechen?. 
§. 29. Die Entscheidung des Bezirks-Ausschusses") über die Entschä- 
digung, die zu bestellende Kaution und die sonstigen aus S§. 7—13 sich erge- 
benden Verpflichtungen erfolgt mittelst motivirten Beschlusses#). 
Die Entschädigungssumme ist für jeden Eigenthümer, sowie für jeden der 
im §. 11 bezeichneten Nebenberechtigten 6), soweit ihm eine nicht schon im Werthe 
des enteigneten Grundeigenthums begriffene Entschädigung zuzusprechen ist, be- 
sonders festzustellen. Auch ist da, wo die den Nebenberechtigten gebührende 
Entschädigung in dem Werthe des enteigneten Grundeigenthums begriffen ist, 
auf Antrag des Eigenthümers oder des betreffenden Nebenberechtigten das 
Antheilsverhältniß festzustellen, nach welchem dem letzteren innerhalb seiner vom 
Eigenthümer anerkannten Berechtigung aus der für das Eigenthum festgestellten 
Entschädigungssumme oder deren Nutzungen Entschädigung gebührt. 
In dem Beschlusse ist zugleich zu bestimmen, daß die Enteignung des 
Grundstücks nur nach erfolgter Zahlung oder Hinterlegung der Entschädigungs- 
oder Kautionssumme auszusprechen sei. 
§. 30. Gegen den Bbeschluss des Bezirks-Ausschusses') steht sowohl dem 
Unternehmer als den übrigen Betheiligten 3) innerhalb sechs Monaten?) nach 
1) Solche Vorschriften giebt es nicht mehr. Dagegen werden diejenigen Per- 
sonen auszuschließen sein, die nach §. 358 C. Pr. O. unbeeidigt zu vernehmen sind. 
2) Die Vereidigung gemäß §. 375 C. P. O. erfolgt durch den Kommissar. 
) Ein Anerkenmniß der Taxe durch die Betheiligten zu Protokoll ist nicht ohne 
Weiteres als eine Vereinbarung im Sinne des §. 26 anzusehen. Auf Antrag eines 
Betheiligten soll deshalb in solchem Falle gemäß §. 29 Emscheidung getroffen werden, 
Res. 7. Juli 1877 bei Seydel S. 173. 
Eine wiederholte Abschätzung von andern Gesichtspunkten aus oder unter Zu- 
ziehung anderer Sachverständiger ist zulässig, Sten. Ber. A. H. 1874 S. 1307. 
4) In Berlin der ersten Abtheilung des Polizeipräsidiums. 
*) Die Entscheidung erfolgt nach freier Ueberzeugung, ohne an das Gutachten 
der Sachverständigen gebunden zu sein, Sten. Ber. A. H. 1874 S. 1307. 
6) Iu ibnen gehören hier die Hypotheken= und Grundschuldgläubiger nicht, das. 
S. 1304 ff. 
Die der Enteignungsbehörde obliegende Prüfung der Entschädigungsberechtigten 
dat auf die während des Enteignungsverfahrens vorgekommenen Rechtsveränderungen 
zu rücksichtigen. 
!) Gegen den Beschluss des Bezirks-Ausschusses steht den Betheiligten nur der 
Rechtsweg zu; eine bei der Ministerial-Instanz angebrachte (gemäß §. 50 Abs. 3 L. 
BV. G. zulässige) Beschwerde im Aufsichtswege unterbricht nicht die sechsmonatliche 
Frist zur Beschreitung des Rechtsweges, Res. 24. Juni 1879 (E. V. Bl. S. 113) 
und 29. Avril 1878 (E. V. Bl. S. 159). 
*) D. b. nur solche, auf deren Rechte sich der Ausspruch der Verwaltungsbehörde 
erstreckt. Eine Prüfung der im Enteignungsbeschlusse angenommenen Legitimation 
der Interessenten ist ausgeschlossen, weil der Rechtsweg lediglich die Feststellungen in
	        
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