Full text: Handbuch für Preußische Verwaltungsbeamte. Erster Band. (1)

1040 Abschnitt XIX. Enteignungs-Gesetz. 
Das Gericht hat den Termin schleunigst und nicht über sieben Tage bin- 
aus anzuberaumen und hiervon die Betheiligten und den Bezirks-Ausschuss 
zeitig zu benachrichtigen. 4 
Die Zuziehung eines oder mehrerer Sachverständigen kann auch von Amts- 
wegen angeordnet werden. Sind die Parteien über die Sachverständigen nicht 
einig, so ernennt das Gericht dieselben. # 
Die Enteignung kann nicht vor Beendigung dieses Verfahrens erfolgen, 
von welcher das Gericht den Bezirks-Ausschuss 1) zu benachrichtigen hat. 
§. 36. Die Entschädigungssumme wird an denjenigen bezahlt, für welchen 
die Feststellung stattgefunden hat. Z 
Dieselbe wird in Ermangelung abweichender Vertragsbestimmungen von 
dem Unternehmer mit fünf Prozent vom Tage der Enteignung verzinst?), so- 
weit sie zu dieser Zeit nicht bezahlt oder in Gemäßheit des F. 37 hinterlegt ist. 
Wird die durch Beschluß des Bezirks-Ausschusses festgesetzte Entschädigungs- 
summe durch die gerichtliche Entscheidung herabgesetzt, so erhält der Unter- 
nehmer den gezahlten Mehrbetrag ohne Hifen, den hinterlegten Mehrbetrag 
aber mit den davon in der Zwischenzeit etwa aufgesammelten Zinsen zurück?. 
§. 37. Der Unternehmer ist verpflichtet ), die Entschädigungssumme zu 
hinterlegen: 
1. wenn neben dem Eigenthümer Entschädigungsberechtigte vorhanden sind, 
deren Ansprüche an die Entschädigungssumme zur Zeit nicht feststehen; 
2. wenn das betreffende Grundstück Fideikommiß oder Stammgut ist, oder 
im Lehn= oder Leiheverbande steht; 
3. wenn Reallasten, Hypotheken oder Grundschulden auf dem betreffenden 
Grundstück haften. 
Die Hinterlegung erfolgt bei derjenigen Stelle, welche für den Bezirk der 
belegenen Sache zur Annahme von Hinterlegungen der betreffenden Art, be- 
ziehungsweise von gerichtlichen Hinterlegungen bestimmt ists). 
Ueber die Rechtmäßigkeit der Hinterlegung findet ein gerichtliches Ver- 
fahren nicht statt. Jeder Betheiligte') kann sein Recht an der hinterlegten 
Summe gegen den dasselbe bestreitenden Mitbetheiligten im Rechtswege geltend 
machen. Soweit nach dem Rechte einzelner Landestheile ein gerichtliches Ver- 
theilungsverfahren in derartigen Fällen stattfindet, behält es dabei sein Ve- 
wenden. 
  
1) Für Berlin die erste Abtheilung des Polizeipräsidiums, §. 150 Zust. Ges. 
2) Die Zinspflicht erstreckt sich auch auf die für die Wirthschaftserschwerungen zu- 
gebilligte Eutschädigung und beginnt mit dem Tage der Enteignung, Erk. R. G. 
3. Nov. 1880 (J. M. Bl. S. 179). 
Wenn der Eigenthümer schon vor der Enteignung dem Unternehmer den Besitz 
des in Anspruch genommenen Grundstücks überlassen, resp. die Bauerlaubniß ertheilt 
hat, so kann er in Ermangelung abweichender Vereinbarung die Verzinsung erst vom 
Tage der Enteignung und nicht schon vom Tage der Besitzüberlassung an beanspruchen, 
Erk. R. G. 22. Nov. 1880 (Arch. f. Eisenbahnwesen 1881 S. 199). 
2) Wird die Entschädigungssumme nicht herabgesetzt, so hat der Unternehmer 
auch auf die für die Zeit bis zur Vollziehung der Enteignung aufgelaufenen Zinsen 
keinen Anspruch. Diese Zinsen kommen vielmehr dem zu, der demnächst die Ent- 
schädigungssumme erhält, E. Civ. XXIV. 324. 
9) Die Hinterlegung kann außerdem in solchen Fällen erfolgen, in denen sie nach 
allgemeinen Gesetzen zulässig ist (vergl. A. L. R. I. 16 88. 215 ff.) 
5) Vergl. Hinterl. Ordn. 14. März 1879 (G. S. S. 249) S§. 1, 14, 16, 22, 
Res. 31. Juli 1879 (J. M. Bl. S. 216), 29. Juli 1879 (J. M. Bl. S. 327) und 
6. Nov. 1894 (M. Bl. S. 205). 
6) D. i. der Eigenthümer und jeder, zu dessen Schutz die Hinterlegung erfolgt ist. 
An dem weiteren Verbleibe der hinterlegten Summe ist der Unternehmer nicht 
betheiligt. Es bedarf daher weder seiner Zustimmung zur Auszahlung (E. K. VIII. 
72 und Res. 27. Okt. 1878 bei Seydel S. 214), noch ist er berechtigt, der Aus- 
zahlung zu widersprechen (Str. Arch. LXXXlI. 224).
	        
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