1050 Abschnitt XX. Straßen= und Baufluchten-Gesetz.
Zur Festsetzung neuer oder Abänderung schon bestehender Bebauungspläne
in den Städten Berlin, Potsdam, Charlottenburg und deren nächster Umgebung
bedarf es Königlicher Genehmigung. .
§. 11. Mit dem Tage, an welchem die in 8. 8 vorgeschriebene ffen-
legung beginnt, tritt die Beschränkung des Grundeigenthümers, daß Neu-
bauten ), Um-:) und Ausbauten über die Fluchtlinie hinaus versagt werden
können?), endgültig") ein. Gleichzeitig") erhält die Gemeinde das Recht, die
Zu Anmerkung 3 auf S. 1049.
polizeibehörde Gelegenheit zur Geltendmachung von Anständen oder Aenderungsvor-
schlägen zu geben, Friedrichs S. 60.
() Der Rechtsweg ist ausgeschlossen, Erk. Komp. G. H. 8. Jan. 1876 (M. Bl.
S. 78) und 11. Febr. 1865 (J. M. Bl. S. 106).
Ueber die rechtliche Wirkung einer vor Geltung Ges. 2. Juli 1875 erfolgten
Fluchtlinienfestsetzung vergl. Erk. 30. Jan. 1882 (E. O. V. VIII. 303), dazu Res.
12. Mai 1855 (M. Bl. S. 100) und E. O. V. V. 381.
1) Ueber den Begriff „Neubauten“ vergl. Anm. 3 zu §. 1, S. 1047. Einen „theil-
weisen“ Neubau kennt das Gesetz nicht, E. O. V. XXIII. 347.
Die an sich im Eigenthum liegende Befugniß, von dem Besitze und der Nutzung
desselben jeden Anderen auszuschließen, geht dadurch nicht verloren, daß ein Grund-
stück als für eine künftige Straße oder einen öffentlichen Platz bestimmt, in einem
Bebauungsplan verzeichnet wird .. Auch in der Wahl der Mittel, durch welche der
Eigenthümer das Publikum fern halten will, ist er durch das Ges. 2. Juli 1875
nur in so weit beschränkt, als ihm Neubauten, Um-= und Ausbauten über die
Fluchtlinie hinaus versagt werden können, jeder Einrichtung sonstiger nicht unter den
Begriff solcher Bauten fallenden Schutzwehren gegen das unbefugte Betreten des
Grundeigentbums — etwa eines Grabens — steht das Ges. 2. Juli 1875 nicht
entgegen. Es kommt in jedem einzelnen Falle darauf an, ob die in Rede stehenden
Anlagen unter den Begriff eines Baues oder Neubaues fallen, Erk. 7. Juni 1883.
(E. O. B. IX. 298). (In casu hatte der Eigenthümer, um das Befahren seines
Grundstücks zu verhindern, eine Reihe von Pfählen in die Erde schlagen lassen, was
die Ortspolizeibehörde unrechtmäßiger Weise verhindern wollte.)
?) Ueber den Begriff des Umbaues und die Frage, ob im Sinne des §. 11 Ges.
2. Juli 1875 ein Um- und Ausbau über die Fluchtlinie hinaus vorliegt, vergl. Erk.
15. Sept. 1881 und 30. Jan. 1882 (E. O. V. VIII. 294 und 303); 25. Jan. 1896.
(E. O. V. XXIX. 3729.
Um- und Ausbauten stehen in der Mitte zwischen Neubau und Reparatur, doch
werden größere Ausbesserungen allein durch ihren Umfang noch nicht dazu, E. O. V.
XXIII. 348. Bloße Umwährungen gehören nicht hierher, E. O. V. XXV. 379;
XXVI. 350.
2) Doch sind die §§. 78—82 A. L. R. I. 8 dadurch nicht beseitigt, wonach das
Vortreten einzelner Bautheile über die Fluchtlinie hinaus gestattet werden kann.
Vergl. E. O V. XXII. 372.
Die Ansicht des O. V. G. in E. VII. 327, daß die Polizeibehörde nicht nur
berechtigt, sondern verpflichtet sei, jeder Bebauung über die Fluchtlinie hinaus die
Genehmigung zu versagen, ist überhaupt unzutreffend.
Die Ertheilung der Erlaubniß ist möglich, doch haben nach Offenlegung des
Straßenbauplans die Polizeibehörden in eine Prüfung von Gesuchen auf Genehmigung
von Bauten erst dann einzutreten, wenn der Unternehmer die Einwilligung der
Gemeinde zu dem beabsichtigten Bau dargethan hat. Es ist Vorsorge zu reffen, daß
diese Anordnung Seitens der Gemeinden nicht zur Durchführung unberechtigter An-
sprüche mißbraucht werde, Res. 15. Febr. 1887 (M. Bl. S. 70). Ebenso E. O. V.
XXV. 379; §. 11 Satz 1 giebt nur den Polizeibehörden die Befugnuß, das Bebauen
künftigen Straßengeländes zu untersagen.
4) Es ist gesetzlich zulässig, den Baukonsens mit der Bedingung zu ertheilen,
daß bei Regulirung der Fluchtlinien die zugelassene Baulichkeit (beispielsweise ein
Zaun) auf Verlangen der Behörde durch den jeweiligen Besitzer auf seine Kosten in
die neue Fluchtlinie zurückgelegt und diese Verpflichtung in das Grundbuch des
Grundstückes eingetragen werde, Erk. O. V. G. 14. Juni 1881 (E. O. V. VII. 328).
Unter Umständen wird die Polizeibehörde im Falle des §. 11 verpflichtet sein, die