Full text: Handbuch für Preußische Verwaltungsbeamte. Erster Band. (1)

1382 Abschnitt XXIX. Maß= und Gewichts-Ordnung. 
Artikel 18. Es wird eine Normal-Aichungskommission vom Bunde bestellt. 
und unterhalten!). Dieselbe hat ihren Sitz in Berlin. Z 
Die Normal-Aichungskommission hat darüber zu wachen, daß im ge- 
sammten Bundesgebiete das Aichungswesen nach übereinstimmenden Regeln 
und dem Interesse des Verkehrs entsprechend gehandhabt werde. Ihr liegt 
die Anfertigung und Verabfolgung der Normale (Artikel 9), so weit nöthig 
auch der Aichungsnormale (Artikel 15) an die Aichungsstellen des Bundes ob, 
und ist sie daher mit den für ihren Geschäftsbetrieb nöthigen Instrumenten 
und Apparaten auszurüsten. » » 
Die Normal-Aichungskommission hat die näheren Vorschriften über Ma- 
terial, Gestalt, Bezeichnung und sonstige Beschaffenheit der Maße und Ge- 
wichte, ferner über die von Seiten der Aichungsstellen innezuhaltenden Fehler- 
renzen zu erlassen. Sie bestimmt, welche Arten von Waagen im öffentlichen 
Verkehr oder nur zu besonderen gewerblichen Zwecken angewendet werden 
dürfen, und setzt die Bedingungen ihrer Stempelfähigkeit fest. Sie hat ferner 
das Erforderliche über die Einrichtung der sonst in dieser Maß- und Gewichts- 
Ordnung aufgestellten Meßwerkzeuge vorzuschreiben, sowie über die Zulassung 
anderweiter Geräthschaften zur Aichung und Stempelung zu entscheiden. Der 
Normal-Aichungskommission liegt es ob, das bei der Aichung und Stempelung 
zu beobachtende Verfahren und die Taxen für die von den Aichungsstellen zu 
erhebenden Gebühren (Artikel 15) festzusetzen und überhaupt alle die technische 
Seite des Aichungswesen betreffenden Gegenstände zu regeln?). 
Artikel 19. Sämmtliche Aichungsstellen des Bundesgebiets haben sich, neben 
dem jeder Stelle eigenthümlichen Zeichen, eines übereinstimmenden Stempel- 
zeichens zur Beglaubigung der von ihnen geaichten Gegenstände zu bedienens). 
1) Errichtet durch Bek. 16. Febr. 1869 (B. G. Bl. S. 46); Bezeichnung als 
„Kaiserliche Normal-Aichungs-Kommission“" A. E. 3. Aug. 1871 (R. G. Bl. S. 
318); Instr. 21. Juli 1869 (M. Bl. S. 271). 
2:) Vergl. Anm. 1 zu Art. 15 und die daselbst angezogenen Bekanntmachungen. 
Vergl. ferner Bek. 26. Juli 1893 (R. G. Bl. Beil. zu Nr. 30) und 8. April 1896 
(R. G. Bl. Beil. zu Nr. 9), betr. Aichung von chemischen Meßgeräthen, Prüfung von 
Thermometern Best.9. Okt., Stimmgabeln 26.Nov. 1888 (C. Bl. d. D. R. S. 934 u. 959). 
3) Gewundenes Band mit der Inschrift D R, §§. 79, 80 Aichordn. Die Gül- 
tigkeit der aichamtlichen Urkunden kann auf bestimmte Zeit vorgeschrieben sein (§. 68 
das.); sonst dauert sie so lange, als die Gegenstände sich innerhalb der durch Bek. 
27. Juli 1885 (R. G. Bl. S. 263) gestatteten Fehlergrenze halten. Reparaturen, 
die die vorgeschriebene Richtigkeit und Empfindlichkeit beeinflussen, bedingen stets eine 
Neuaichung, vergl. E. Crim. XXIII. 378. Die Entziehung der Beglaubigung er- 
folgt gemäß Bek. 22. März 1876 (R. G. Bl. S. 123): 
Die Aichungsbehörden haben denjenigen, mit dem Aichungsstempel versehenen 
Maßen, Gewichten, Waagen oder sonstigen Meßwerkzeugen, welche bei einer aichamt- 
lichen Prüfung vorschriftswidrig befunden werden, vor deren Rückgabe, die Beglau- 
bigung ihrer Zulässigkeit im öffentlichen Verkehr durch Vernichtung des Stempels zu 
entziehen, wenn die nach den bestehenden Bestimmungen zulässige Berichtigung ent- 
weder an sich oder wegen des Widerspruchs der Betheiligten nicht bewirkt werden kann. 
Res. 13. Mai 1876 (M. Bl. S. 135): Die (vorstehende) Bek. 22. März 1876 
ermächtigt die Aichungs (jedoch nicht die Polizei-) Behörden, unter Umständen den 
vorschriftswidrigen, geaichten Meßwerkzeugen aller Art — auch wenn deren Besitz 
oder Gebrauch keine Strafe nach sich zieht — die Beglaubigung ihrer Zulässigkeit im 
öffentlichen Verkehr durch Vernichtung des Stempelzeichens zu entziehen. Diese An- 
ordnung erstreckt sich nicht nur auf unrichtige, d. h. gegen die Fehlergrenze ver- 
stoßende, sondern auch auf diejenigen Meßwerkzeuge aller Art, welche zwar richtig 
find, aber den Vorschriften der Aichordnung in Beziehung auf Form, Material, Be- 
zeichnung oder Art der Stempelung nicht entsprechen. Sie erstreckt sich nicht nur 
auf die bei den Gewerbetreibenden vorgefundenen, zum Gebrauch in ihrem Gewerbe 
geeigneten, sondern auch auf alle anderen vorschriftswidrigen Meßwerkzeuge, einschließ. 
lich der Alkoholometer, Gasmesser und Fässer, gleichviel, ob dieselben im öffentlichen 
Verkehr angewendet find oder nicht. * 4 
Die Aichungsbeamten haben übrigens nur nach sorgfältiger Prüfung und nur 
dann mit Vernichtung der Stempel vorzugehen, wenn ihnen ein vorschriftswidriger, 
 
	        
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