Full text: Handbuch für Preußische Verwaltungsbeamte. Erster Band. (1)

Abschnitt IV. Staatsangehörigkeit. 293 
weisung eines Neuanziehenden oder die Versagung der Fortsetzung des Auf- 
enthalts rechtfertigt 0. 
§. 8. Die Naturalisattons-Urkunde 2) darf Ausländerns) nur dann ertheilt 
werden, wenn sie 
1. nach den Gesetzen ihrer bisherigen Heimath dispositionsfähig") sind, 
es sei denn, daß der Mangel der Disvpositionsfähigkeit durch die 
Zustimmung des Vaters, des Vormundes oder Kurators des Aufzu- 
nehmenden ergänzt wird; 
2. einen unbescholtenen Lebenswandel geführt haben; 
3. an dem Orte, wo sie sich niederlassen wollen, eine eigene Wohnung oder 
ein Unterkommen finden; 
4. an diesem Orte nach den daselbst bestehenden Verhältnissen sich und ihre 
Angehörigen zu ernähren im Stande sind. 
1) Gegen den ablehnenden Bescheid ist binnen 2 Wochen Klage beim Ober- 
verwaltungsgericht zulässig, §. 155 Zust. Ges. 
Auf Naturalisationsgesuche von früheren Reichsangehörigen und von solchen 
Reichsausländern, die sich in einem anderen Bundesstaate aufgehalten haben oder 
noch aufhalten, ist nicht eher Entscheidung zu treffen, als bis den Behörden derjenigen 
Bundesstaaten Gelegenheit zur Aeußerung gegeben worden ist, die als Heimathsstaat 
des Antragstellers oder weil dieser auf ihren Gebiete sich aufgehalten hat, oder noch 
aufhält, Interesse zur Sache haben, Res. 12. Okt. 1891 (M. Bl. S. 171). 
Ausländer, welche die Reichsangehörigkeit erwerben, werden nach Maßgabe ihres 
Lebensalters wehrpflichtig, S. 21 Nr. 1 der Wehrord. 22. Nov. 1888. 
Angehörige fremder Staaten bedürfen zum Eintritt in das Heer der Genehmigung 
des Kontingentsherrn, zum Eintritt in die Marine Kaiserlicher Genehmigung, §. 21 
Nr. 4 ebendaselbst. — Personen, welche nicht die Staatsangehörigkeit besitzen, dürfen 
also, in Ermangelung der Kaiserlichen Genehmigung nicht ausgehoben werden. 
In den Preußischen Militärdienst darf kein Ausländer aufgenommen werden, 
der nicht vorher die Preußischen Unterthanenrechte erworben hat. Ausnahmen von 
dieser Vorschrift sollen nur bei ausbrechendem Kriege und während desselben gestattet 
sein, K. O. 30. Juni 1846 (M. Bl. S, 191), (vergl. Res. 23. Nov. 1841 (M. 
Bl. S. 308)|, vergl. §§. 20, s, 21, 4 Wehrord. 22. Nov. 1888. 
2) Vergl. die Formulare zu Aufnahme-, Naturalisations- und Entlassungs-Urkunden 
unten S. 300. 
Oesterreich-Ungarischen Staatsangehörigen darf die Naturalisation in Preußen 
nur dann ertheilt werden, wenn der Aufzunehmende die Entlassung aus seiner bis- 
herigen Staatsangehörigkeit durch eine Bescheinigung seiner kompetenten Heimaths- 
behörde nachgewiesen hat, Res. 28. Nov. 1864 (M. Bl. S 281) und 7. Juli 1877 
(I. B. 5441). Dasselbe gilt von den persischen [Vertr. 11. Juni 1873 (R. G. Bl. 
S. 351) Art. 171, türkischen [Res. 11. Juli 1884] und marokkanischen (Vertr. 
3. Juli 1880 (R. G. Bl. 1881 S. 103 ff.)) Unterthanen. Ueber die zur Aus- 
stellung solcher Bescheinigungen kompetenten Behörden vergl. Res. 8. Okt. 1880 (I. B. 
7268). Wegen Verwarnung russischer Unterthanen vor ihrer Naturalisation vergl. Res. 
16. Juli 1890 (M. Bl. S. 200). 
Zur Annahme ausländischer Juden als Rabbiner oder Soynagogenbeamte 
bedarf es der Genehmigung des Ministers des Innern. Daß es zulässig ist, den — 
sei es mit oder ohne Genehmigung als Kultusbeamten angestellten — jüdischen Aus- 
ländern, ebenso wie allen anderen, den ferneren Aufenthalt im diesseitigen Staats- 
gebiete zu untersagen, bezw. dieselben auszuweisen, sobald sie lästig fallen, bedarf keiner 
besonderen Hervorhebung, Res. (an die Ober-Präsidenten in den 9 älteren Provinzen 
und an den Polizei-Präsidenten in Berlin) 30. Sept. 1884 (M. Bl. S. 236). 
3) Personen, die aus der Staatsangehörigkeit eines Bundesstaates entlassen worden 
sind und vor Ablauf von 6 Monaten nach Aushändigung der Entlassungsurkunde, 
ohne in der Zwischenzeit ihren Wohnsitz in das Reichsausland verlegt zu habenz den 
Erwerb der Staatsangehörigkeit in einem anderen Bundesstaate nachsuchen, sind nicht 
als Ausländer im Sinne des §. 8 zu behandeln, Res. 8. Febr. 1896·(M. Vl. S. 22). 
1) Minorenne Ausländer können in den Preußischen Unterthanenverband auf- 
genommen werden, wenn sie hierzu die Genehmigung ihres Barers oder Vormundes 
beibringen, Res. 20. März 1861 (M. Bl. S. 80). 
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