Full text: Handbuch für Preußische Verwaltungsbeamte. Erster Band. (1)

Abschnitt I. Verfassung des Deutschen Reichs. 17 
zwölfjährige Gesammtdienstzeit gesetzlich war, findet die allmälige Herabsetzung 
der Verpflichtung nur in dem Maße statt, als dies die Rücksicht auf die Kriegs- 
bereitschaft des Reichsheeres zuläßt. 
In Bezug auf die Auswanderung der Reservisten sollen lediglich die- 
jenigen Bestimmungen maßgebend sein, welche für die Auswanderung der 
Landwehrmänner gelten . » 
"Artikel 60. Die Friedens-Präsenzstärke:) des Deutschen Heeres wird 
bis zum 31. Dezember 1871 auf Ein Prozent der Bevölkerung von 1867 
normirt, und wird pro rata derselben von den einzelnen Bundesstaaten gestellt. 
Für die spätere Zeit wird die Friedens-Präsenzstärke des Heeres im Wege der 
Reichsgesetzgebung festgestellt. 
Artikel 61. Nach Publikation dieser Verfassung ist in dem ganzen 
Reiche die gesammte Preußische Militärgesetzgebung ungesäumt einzuführen, 
sowohl die Gesetze selbst, als die zu ihrer Ausführung, Erläuterung oder Er- 
gänzung erlassenen Reglements, Iunstruktionen und Restkripte, namentlich also 
das Militär-Strafgesetzbuch vom 3. April 1845, die Militär-Strafgerichts- 
ordnung vom 3. April 1845, die Verordnung über die Ehrengerichte vom 
20. Juli 1843, die Bestimmungen über Aushebung, Dienstzeit, Servis= und 
Verpflegungswesen, Einquartierung, Ersatz von Flurbeschädigungen, Mobil- 
machung u. s. w. für Krieg und Frieden?). Die Militär-Kirchenordnung ist 
jedoch ausgeschlossen. 
Nach gleichmäßiger Durchführung der Kriegsorganisation des Deutschen 
Heeres wird ein umfassendes Reichs-Militärgesetz dem Reichstage und dem 
Bundesrathe zur verfassungsmäßigen Beschlußfassung vorgelegt werden. 
Artikel 62. Zur Bestreitung des Aufwandes für das gesammte Deutsche 
Heer und die zu demselben gehörigen Einrichtungen sind bis zum 31. Dezember 
1871 dem Kaiser jährlich sovielmal 225 Thaler, in Worten zweihundert fünf 
und zwanzig Thaler, als die Kopfzahl der Friedensstärke des Heeres nach 
Artikel 60 beträgt, zur Verfügung zu stellen. Vergl. Abschn. XII3). 
Nach dem 31. Dezember 1871 müssen diese Beiträge von den einzelnen 
Staaten des Bundes zur Reichskasse fortgezahlt werden. Zur Berechnung der- 
selben wird die im Artikel 60 interimistisch festgestellte Friedens-Präsenzstärke 
so lange festgehalten, bis sie durch ein Reichsgesetz abgeändert ist?). 
Die Verausgabung dieser Summe für das gesammte Reichsheer und dessen 
Einrichtungen wird durch das Etatsgesetz festgestellt. 
Zu Anmerukug 6 auf S. 16. 
daß während der Dauer der Dienfstpflicht im stehenden Heere nur die Mannschaften 
der Kavallerie und reitenden Feldartillerie die ersten 3, alle übrigen Mannschaften die 
ersten 2 Jahre zum ununterbrochenen Dienste bei den Fahnen verpflichtet sind. So- 
weit erstere im stehenden Heere 3 Jahre aktiv gedient haben, dienen sie in der Land- 
wehr 1. Aufgebotes nur 3 Jahre. 
7) Wegen der in der Verfassung nicht erwähnten Landsturmpflicht vergl. Ges. 
11. Febr. 1888 (R. G. Bl. S. 11) 88. 23 ff. 
1) Vergl. §. 15 Ges. 9. Nov. 1867, 88. 15, 17 Ges. 1. Juni 1870 (B. G 
Bl. S. 355); Art. II §. 2 Ges. 3. Aug. 1893; §§. 140, 360, z R. Str. G. B. 
2) Die Friedens-Präsenzstärke des Deutschen Heeres ist für die Zeit vom 1. Okt 
1893 bis zum 31. März 1899 auf 479229 Mann festgesetzt. Die Einjährig- 
Freiwilligen kommen auf die Friedens-Präsenzstärke nicht in Anrechnung, ebenso 
wenig Unteroffiziere, Ges. 3. Aug. 1893 (R. G. Bl. S. 233). 
31) Jetzt zum Theil durch vom Reiche erlassene Vorschriften ersetzt. Vergl. wegen 
Bayern III. §. 5 Vertr. 23. Nov. 1870. In Württemberg gilt die preußische Mi- 
litärstrafgerichts-Ordnung nicht, Art. 10 II. Mil. Konvention 21./25. Nov. 1870 
zum Vertr. 25. Nov. 1870 (B. G. Bl. S. 658). 
) Vergl. wegen Bayern wie vor; wegen Württemberg Nr. 11f Verh. 25. Nov. 
1870 und Art. 13 Mil. Kouvention 21./25. Nov. 1870; wegen Baden Nr. 7 Ver- 
einb. 15. Nov. 1870 (B. G. Bl S. 650). *4“•“ 6 
5) Ob Abs. 2 noch heute gilt oder durch die jährliche Veranschlagung der Mi- 
schärausgaben im Etatsgesetze aufgehoben worden ist, ist streitig. Vergl. Laband 
d. II S. 588. 
Illing-Kaut, Handbuch I. 7. Aufl. 2
	        
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