Full text: Handbuch für Preußische Verwaltungsbeamte. Erster Band. (1)

Abschnitt V. Armenwesen. Reichsgesetz §. 29. 347 
Ein Anspruch auf Erstattung der entstehenden Kur= und Verpflegungs- 
Kosten beziehungsweise auf Uebernahme des Hülfsbedürftigen gegen einen 
anderen Armenverband erwächst in diesen Fällen nur, wenn He Krankenpflege 
länger als dreizehn Wochen fortgesetzt wurde, und nur für den über diese 
Frist hinausgehenden Zeitraum ½. 
Dem zur Unterstützung an sich verpflichteten Armenverbande muß spä- 
testens:) sieben Tage vor Ablauf des dreizehnwöchentlichen Zeitraums Nachricht 
von der Erkrankung gegeben werden, widrigenfalls die Erstattung der Kosten 
erst von dem, sieben Tage nach dem Eingange der Nachricht beginnenden Zeit- 
raum an gefordert werden kann. 
Die Bestimmungen der Absätze 2 und 3 finden keine Anwendung, wenn 
das Dienst- oder Arbeitsverhältniss, durch welches der Aufenthalt am Dienst- 
— — — 
Zn Anmerkung 1 auf S. 346. 
dienende Personen, welche nach Auflösung des Dienstver hältnisses hülfsbe- 
dürftig erkranken, also bei ihrer Erkrankung nicht mehr im Dienste stehen, Erk. 
3. Nov. 1873 (C. Bl. d. D. R. S. 364). Vergl. W. VI. 36, XXI. 115, XXIII. 128. 
Jedoch findet der §. 29 auch dann Anwendung, wenn die Hülfsbedürftigkeit 
unmittelbar nach Eingehung des Dienstverhältnisses oder unmittelbar 
nach der Entlassung des Dienstboten eintritt, Erk. 17. Nov., 27. Okt. und 3 Nov. 
1877 (W. IX. 86—88). Das Bundesamt erkannte unterm 29. April 1876 (W. 
VII. 65), daß ein am 29. Sept. 1875 wegen großer Körperschwäche von seinem Arbeit- 
geber entlassener Geselle, der schon am folgenden Tage wegen Brustleidens in das 
Krankenhaus aufgenommen werden mußte, durch den Armenverband des Dienstortes 
gemäß §. 29 zu unterstützen sei. Aehnlich wurde in einem Falle erkaunt, wo ein 
Geselle am Tage nach Auflösung seines Dienstverhältnisses, zur Heilung eines Flechten- 
leidens in das Krankenhaus aufgenommen werden mußte, Erk. 6. Jan. 1877 (W. 
VIII. 87). Vergl. W. XXIII. 126. In einem Falle, wo die Hülfsbedürftigkeit 
drei Tage nach dem das Dienstverhältniß durch Uebereinkommen mit dem Dienst- 
herrn gelöst worden war, eintrat, erkannte das Bundesamt gegen die Anwendbarkeit 
des §. 29, Erk. 30. Juni 1877 (W. IX. 88 Anm.). 
Zu den Kur- und Verpflegungskosten im Sinne des obigen S§. 29 find alle 
Ausgaben zu rechnen, welche aus Veranlassung der Krankheit und Behufs Heilung 
derselben aufgewendet werden, also auch die Kosten des ärztlichen Attestes Behufs 
Uebernahme des Kranken in die Provinzialirrenanstalt, die Kosten des Transportes 
in die Anstalt und seiner vorherigen Bewachung, sowie die Beschaffung der zur Auf- 
nahme in die Anstalt erforderlichen regelmäßigen Belleidung. W. XIX. 96; XXIV. 
129; XXVII. 50. Beerdigungskosten gehören nicht hierher, II. 40; III. 55; IV. 47; 
IX. 61. 
Hinfichtlich der Frage, inwieweit dem verpflichteten Armenverbande die von dem 
Unterstützten selbst gelieferte Theilzahlung zu gute kommt, vergl. Erk 19. Mai 1873 
(W. III. 65); er darf das Gezahlte auf die sechswöchentliche Zeitdauer anrechnen, für 
die er keinen Ersatz beanspruchen kann, Erk. 20. Jan. 1867 (W. VIII. 93). Auch 
die einem erkrankten Dienstboten gewährte Geldunterstützung kann unter die Kur- und 
Verpflegungskosten fallen, Erk. 24. Nov. 1873 (C. Bl. d. D. R. S. 405). Der 
sechswöchentliche Zeitraum ist von dem Zeitpunkte des Beginnes der öffentlichen Armen- 
pflege ab zu berechnen, Erk 20. Sept. 1879 (W. XI. 75). 
Die Unterstützungspflicht des Dienstortes wird dadurch nicht beseitigt, daß der 
Dienstort den Hülfsbedürftigen schon in einem früheren gleichartigen Krankheitsfalle, 
wenn auch erst kurze Zeit vorher, (sechs) d#reizehn Wochen im Wege der öffentlichen 
Armenpflege unterstützt hatte, W. XXII. 120. 
) Ein Erstattungsanspruch erwächst nur, wenn und insoweit die öffentliche 
Krankenpflege länger als 13 Wochen fortgesetzt wurde. Die Zeit, während der zunächst 
aus anderen Quellen, von der Dienstherrschaft 2c., für den Kranken gesorgt wurde, 
kommt nicht in Betracht, W. XXIII. 106; XXVII. 50. 
3:) Ist bis dahin der verpflichtete Armenverband nicht zu ermitteln, so ist nach 
s. 34 die Anzeige an die dem unterstützenden Armenverband vorgesetzte Behörde zu 
richten und hat dann die Wirkung des §. 29 Abs. 2, Erk. 19. Nov. 1881 (W. VIII. 
§7), vergl. auch Erk. 14. Jan. 1888 (W. XX. 112).
	        
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