Full text: Handbuch für Preußische Verwaltungsbeamte. Erster Band. (1)

348 Abschnitt V. Armenwesen. Reichsgesetz 8. 30. 
oder Arbeitsorte bedingt wurde, nach seiner Natur oder im Voraus durch 
Vertrag auf einen Zeitraum von einer Woche oder weniger beschränkt ist. 
Schwangerschaft ) an sich ist nicht als eine Krankheit im Sinne der vor- 
stehenden Bestimmung anzusehen. 4# . 
g. 30. Zur Erstattung?) der durch die Unterstützung eines hülfsbedürf— 
tigen Norddeutschen erwachsenen Kosten, soweit dieselben nicht in Gemäßheit 
1) Schwangerschaft an sich, und die folgeweise Entbindung und Wochen- 
beit sind nicht als Krankheit im Sinne des §. 29 anzuseben. Im Falle einer wirk- 
lichen Erkrankung der Schwangeren oder Entbundenen ist aber die Haftung des Dienst- 
ortes für die Verpflegungskosten keineswegs ausgeschlossen, Erk. 11. Juni 1872 
W. I. 41). 
- 8 Ges. 6. Juni 1870 hat eine in seinem Gebiet hervorgetretene Hülfs- 
bedürftigkeit zur Voraussetzung. Nur wenn die Hülfsbedürftigkeit im Geltungs- 
bereich jenes Gesetzes hervorgetreten ist, findet wegen der gewährten Unterstützung ein 
Erstattungsanspruch statt, Erk. 6G. März 1886 (W. XVIII. 49). 6 
Voraussetzung des Anspruchs auf Erstattung der für einen Unter= 
stützten aufgewendeten Kosten ist die Hülfsbedürftigkeit der betreffen. 
den Person resp. die Nothwendigkeit und thatsächliche Inanspruch- 
nahme eineröffentlichen Unterstützung, Erk. 7. Mai 1872 (W. I. 24). Wegen 
der Kur= und Pflegekosten, wenn eine Krankenanstalt wegen Dringlichkeit des Falles 
ohne vorgängigen besonderen Auftrag des betreffenden Armenverbandes Hülfe geleistet 
hat, vergl. Erk. 20. März 1886 (W. XVIII. 52). 
Hülfsbedürftig im Sinne des Gesetzes ist nicht ein Jeder, welcher fremder 
Hülfe, sondern nur Derjenige, welcher öffentlicher Armenunterstützung bedarf, 
um seinen nothdürftigen Lebensunterhalt zu finden. So lange daher Jemand, wenn 
gleich an sich in der Lage, öffentliche Unterstützung beanspruchen zu können, diesen 
Anspruch nicht erhebt und ohne Mitwirkung der Armenupflege die Mittel zu seinem 
Lebensunterhalt gewinnt, ist er nicht hülfsbedürftig. Seine Hülfsbedürftigkeit im 
armenrechtlichen Sinne tritt erst hervor, wenn öffentliche Unterstützung noth- 
wendig wird, Erk. 17. Dez. 1872 (W. II. 66). (In casu wurde der von seinen An- 
gehörigen verlassene landarme Knabe G. oddachlos aufgegriffen und nach B. trans- 
portirt. Der Polizeianwalt in B. setzte ihn auf freien Fuß, und der Knabe fiel 
nunmehr der öffentlichen Armenpflege anheim. Auf Grund dieser Thatsachen erklärte 
das Bundesamt den Landarmenverband von B. für unterstützungspflichtig — wiäre 
der Zeitpunkt maßgebend, zu welchem die Hülfslosigkeit eingetreten war, so würde der 
Zeitpunkt der armenrechtlichen Hülfsbedürftigkeit wahrscheinlich auf den Zeitpunkt 
zurückzuverlegen sein, wo der Knabe von seinen Angehörigen verlassen wurde.) In 
gleichem Sinne wurde erkaunt unterm 22. Febr. 1873 (W. II. 68), vergl. Erk. 
8. Dez. 1873 (C. Bl. d. D. R. 1874 S. 72), 20. April 1874 (C. Bl. d. D. R. 
S. 159), sowie die Erkenntnisse bei §. 28. 
An sich ist eine Frau der Arbeiterklasse wohl im Stande, den Unter- 
halt für sich und zwei Kinder zu erwerben. Daß die N. diese Fähigkeit nicht 
habe, ist aus ihrer, von den Zeugen bekundeten Schwächlichkeit allein nicht herzuleiten, 
zumal sie ihre Eltern am Orte hat, Erk. 8. Dez. 1873 (C. Bl. d. D. R. 1874 
S. 37). In einem Falle, wo die betreffende Frau drei Kinder hatte, wurde auf die 
Gewährung eines Zuschusses zu den Unterhaltungskosten der Familie erkannt, Erk. 
2. Febr. 1874 (C. Bl. d. D. R. S. 120). 
Eine im Besitz eines Sparkassenbuches mit namhaftem Betrage befindliche Verson 
kann als hülfsbedürftig im Sinne des Gesetzes nicht angesehen werden, Erk. 7. April 
1888 (W. XX. 15). 
Wenn nur ein momentanes Unterstützungsbedürfniß vorliegt, so kann der 
Orts-Armenverband des Unterstützungswohnsitzes nicht angehalten werden, die Kosten 
zu erstatten, welche durch die Ueberlassung von Hausgeräth (Betten rc.) zu Eigen- 
thum an den Unterstützten entstanden sind, Erk. 22. Dez. 1873 (C. Bl. d. D. R. 
1874 S. 48). t 
Wenn durch die Konstatirung der Hülfsbedürftigkeit eine Verzögerung verursacht 
worden ist, so darf nicht der Tag des konstatirten Bedürfnisses dem Tage der 
gewährten Unterstützung substituirt werden, Erk. 26. Nov. 1881 (W. XIII. 29). 
Bei der Heilung von Geisteskranken, Syphilitischen 2c. kommt es hin-
	        
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