Full text: Handbuch für Preußische Verwaltungsbeamte. Erster Band. (1)

Abschnitt V. Armenwesen. Reichsgesetz 8. 30. 355 
aus einer Straf-, Kranken-, Bewahr= oder Heilanstalt entlassen wurde, 
derjenige Land-Armenverband, aus welchem seine Einlieferung ) in die 
Anstalt erfolgt ist. 
(Art. 1, III. Ges. 12. März 1894.) Der Beweis, dass ein Unterstützungs- 
wohnsitz des Unterstützten nicht zu ermitteln gewesen ist, gilt schon dann 
als erbracht, wenn der die Erstattung fordernde Armenverband dargelegt hat, 
dass er alle diejenigen Erhebungen vorgenommen hat, welche nach Lage der 
Verhältnisse als geeignet zur Ermittelung eines Unterstützungswohnsitzes an- 
  
Zu Anmerkung 1 auf S. 354. 
Gleichwohl ist die Frage, ob nicht ein neuer Armenpflegefall vorliegt, nach den 
thatsächlichen Verhältnissen zu beurtheilen. Ein neuer Pflegefall liegt vor, wenn der 
Unterstützte von dazu besähigten Verwandten längere Zeit Unterhalt empfangen hat, 
XVIII. 89; XXIII. 146; wenn die Armenpflege durch Privatwohlthätigkeit unnöthig 
wurde, XXIII. 143; wenn der Unterstützte in den Besitz von Geld kam und sich 
daraus längere Zeit unterhalten konnte, VIII. 98; XXIII. 147; wenn er zum Unter- 
halte ausreichende Arbeit für einige Zeit gefunden hat, XII. 58; XXIII. 149; ferner 
stets, wenn der Landarme zur Verbüßung einer Freiheitsstrafe oder Korrektionshaft 
eingezogen, oder in Untersuchungs= oder Polizeihaft genommen wurde, XX. 125; 
XXV. 106; XXVI 99; XXVII. 101; dagegen niemals, wenn er sich den Unterhalt, 
wenn auch längere Zeit hindurch, durch Betteln, kleine Geschenke, Aufsuchen von Ver- 
pflegungsstationen u. s. w. gefristet hat, XVI. 117; XX. 124; XXII. 136, 138; 
XXIII. 140ff.; wenn er kurze Zeit, aber vergebens, versucht, sich durch eigene Arbeit 
zu erhalten, XXIV. 132; XXV. 105 u. s. w. 
1) Derselbe Grundsatz kommt zur Anwendung, wenn der Gefangene in der Straf- 
anstalt stirbt, Erk. 22. Sept. 1883 (W. XV. 103). 
Als Land--Armenverband, aus welchem die Einlieferung in eine 
Straf-, Kranken= 2c. Anstalt erfolgt ist (8§. 30 lit. b), kann nur derjenige 
Land-Armenverband verstanden werden, in welchem sich der Landarme befand, als oie- 
jenigen Akte ihren Anfang nahmen, bezw. an ihm in Vollzug gesetzt wurden, 
welche seine Einlieferung zur Folge hatten, Erk. 2. Nov. 1877 (W. X. 96). (In 
casu wurde der N. in Folge steckbrieflicher Verfolgung des Staatsanwalts zu Moh- 
rungen, im Kreise (Landarmenbezirke) Osterode festgenommen und in die, diesem 
Kreise angehörigen Gefängnisse zu Gilgenburg und Osterode abgeliefert, dann in das 
Gefängniß zu Mohrungen (Landarmenbezirk gleichen Namens) gebracht und endlich, 
zur Verbüßung der gegen ihn erkannten Strafe in die Strafanstalt zu Braunsberg 
gebracht. Aus letzterer wurde er später in hülfsbedürftigem Zustande entlassen. Das 
Bundesamt legte die Kosten dem Land-Armenverband Osterode auf.) Vergl. W. 
XVI. 131; XXVI. 101. 
Die unverehelichte landarme Marie N. wurde aus Naudwarrischken (Landarmen- 
bezirk Tilsit) in das Gerichtsgefängniß zu Ragnit (Landarmenbezirk gleichen Namens) 
eingeliefert und dort von einem Kinde entbunden. Als dieses starb und auf Ver- 
langen des Gerichtes in Ragnit beerdigt worden war, erkannte das Bundesamt unterm 
13. Okt. 1877 (W. IX. 102), daß da das Kind nicht aus einem andern Bezirk in 
das Gefängniß eingeliefert sei, der Land-Armenverband Ragnit die Kosten der Beer- 
digung zu tragen habe. Dasselbe gilt von einem Kinde, das mit der verhafteten 
Mutter in eine Strafanstalt gebracht, von letzterer alsbald getrennt und aus der An- 
stalt, als dahin nicht gehörig, wieder entfernt worden war, XX. 137; XX II. 87, 
143. Dagegen muß der Land-Armenverband, aus dem die Einlieferung erfolgt war, 
mit der hülfsbedürftig entlassenen Gefangenen, auch das von ihr nach der Entlassung 
geborene Kind übernehmen, XX. 135. 
Die Hülfsbedürftigkeit muß bei der Entlassung aus der Anstalt in einer für 
die zurmenbehüre des Entlassungsortes erkennbaren Weise hervorgetreten sein, W. 
XVIII. 93. 
Die Bestimmung des §. 30 lit. b kommt nicht zur Anwendung, wenn die be- 
treffende Person freiwillig in die Krankenanstalt eingetreten war — die Anwendung 
des §. 30 lit. b setzt eine Einlieferung voraus, Erk. 25. Sept. 1874 (W. VI. 59) 
und 4. Sept. 1880 (W. XII. 53). Wohl aber ist als Einlieferung anzusehen die 
Ueberführung in eine solche Anstalt durch Verwandte oder eine Betriebs-Krankenkasse, 
VII. 87; XX. 133. 
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