Full text: Handbuch für Preußische Verwaltungsbeamte. Erster Band. (1)

556 Abschnitt V. Armenwesen. Reichsgesetz §. 30. 
zuscehen waren. Wird nach der Erstattung ein Unterstützungswohnsitz des 
Unterstützten nachträglich ermittelt, so ist der Armenverband, welcher die 
Erstattung vorgenommen hat, berechtigt, von dem Armenverband des Unter- 
stützungswohnsitzes für die gewährte Unterstützung und für die durch nach- 
trägliche Ermittelungen entstandenen Kosten Ersatz zu beanspruchen. 
Die Höhe der zu erstattenden Kosten ) richtet sich nach den am Orte der 
stattgehabten Unterstützung über das Maß der öffentlichen Unterstützung Hülfs- 
bedürftiger geltenden Grundsätzen?), ohne daß dabei die allgemeinen Verwal- 
tungskosten 3) der Armenanstalten:), sowie besondere Gebühren für die Hülfs- 
leistung fest remunerirter ) Armenärzte in Ansatz gebracht werden dürfen. 
) Im Falle des §. 30 können nur die bereits entstandenen Kosten eingeklage 
werden. Die Verurtheilung zur Erstattung der fernerhin entstehenden Kosten kann 
nicht im Voraus auf eine bestimmte Summe gerichtet werden, da sich das Bedürfniß 
sowohl erhöhen als auch verringern kann, und der Verklagte nach §§. 31, 32 die Ueber- 
führung zu verlangen befugt ist, Erk. 8. März, 19. April und 14. Juni 1879 
(W. XI. 96—98). 
Condictio indebiti wegen des angeblich aus Irrthum Gezahlten, vergl. 
Erk. 16. Okt. 1886 und 5. Febr 1887 (W. XIX. 85 und 166). Der Bezirks- 
ausschuß ist zuständig zur Entscheidung von Streitigkeiten zwischen Armenverbänden, 
wenn es sich um die Rückzahlung von Armenpflegekosten auf Grund irrthümlich ge- 
leisteter Zahlungen handelt, Erk. 9. Juni 1888 (W. XX. 149). Vergl. Erk. 9. Mai 
und 13. Juni 1885 (W. XVII. 200 ff.); XXI 101; XXII. 82; XXIII. 112. 
Landesgesetzliche Vorschristen, durch die gewisse Zweige der Armenpflege größeren 
Verbänden übertragen werden, berühren die reichsgesetzlich geordnete Erstattungs- und 
Uebernahmepflicht der Armenverbände nicht, W. XXIII. 32. 
*:) Maßgebend sind die Berhältnisse am Orte der vorläufigen Unterstützung, W. 
XXV. 129; XXVI. 104. Diese Bestimmung überhebt aber den vorläufig unterstützenden 
Armenverband keineswegs der Verbindlichkeit, die Angemessenheit der liquidirten 
Ansätze nachzuweisen, sofern dieselbe bestritten wird. Insbesondere kann nicht 
jeder von der Behörde eines Orts-Armenverbandes einseitig gefaßte Beschluß über die 
Höhe der zu liquidirenden Beiträge ohne Weiteres als maßgebend für den Umfang 
der Erstattungspflicht anderer Armenverbände betrachtet werden. Nur ist, wenn in 
einem Bundesstaate die Staatsregierung, in Ausübung der durch §. 30 Alinea 3 
eingeräumten Befugniß, einen Tarif aufgestellt hat, welcher die von Armenverbänden 
einander zu erstattenden Beträge ein für allemal pauschweise festsetzt, der Beweis der 
Angemessenheit durch die Uebereinstimmung mit dem Tarif geliefert, Erk. 1. Okt. 
1872 (W. I. 51) und 7. Jan. 1873 (W. II. 74). Vergl. W. IV. 63; VI. 64; 
XV. 69, 76; XVI. 65; XXII. 145; XXIV. 142; XXVI. 104. 
Wegen der Höhe der Pflegegelder für Kinder vergl. V. 91; XlI. 83; XVI. 136; 
XXV. 109. 
3) Zu den allgemeinen Verwaltungskosten, welche außer Ansatz zu 
lassen sind, gehören nicht bloß die Kosten der centralen Leitung der betreffenden 
Krankenanstalt, sondern alle Ausgaben, welche nicht durch das individuelle 
Bedürfniß des einzelnen Kranken veranlaßt sind. Beispielsweise gehören 
Wohnung, Beleuchtung, Bett und Aufwartung zu den allgemeinen, nicht zu erstatten- 
den Ausgaben, es müßte denn die Verpflegung eines Hülfsbedürftigen besondere 
Ausgaben durch Verwendung eines eigens für ihn bestimmten Wärters oder durch 
Beleuchtung eines besonderen Krankenzimmers oder für die Lagerstätte nothwendig 
gemacht haben, Erk. 22. Jan. 1876 (W. VII. 90). Ihre Erstattung kann auch ver- 
langt werden, wenn an dem betreffenden Orte eine vollständig eingerichtere Anstalt 
nicht vorhanden ist und in jedem einzelnen Falle Heizung, Beleuchtung, Wäsche und 
Krankenpflege besonders besorgt werden muß, Erk. 2. Okt. 1880 (W. XII. 69). 
Vergl. auch W. XVI. 132; XXV. 107. Die Bestimmung hinsichtlich der allgemeinen 
Verwaltungskosten findet nicht bloß in dem Falle Anwendung, wenn ein fremder 
Kranker in einer, dem vorläufig unterstützenden Armenverbande gehörigen Kranken- 
anstalt verpflegt wird, sondern auch dann, wenn diese Verpflegung durch Vermittelung 
eines dem unterstützenden Armenverbande nicht selbst gehörenden Krankenhauses er- 
folgt, W. VII. 92; XI. 103; XIX. 122; XXI. 138. 
Als zu erstattende Individualkosten hat das Bundesamt anerkannt: Wäsche-
	        
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