Abschnitt V. Armenwesen. Reichsgesetz §§. 32a, 33. 361
bettehungswelse für die Zeit der Verzögerung, den Anspruch auf Erstattung
er Kosten.
§. 32a. (Art. 1, V. Ges. 12. März 1894.) Soweit nach Bestimmung der
Landesgesetze einzelne Zweige der öffentlichen Armenpflege den Land-Armen-
verbänden übertragen sind, gehen auf diese die Rechte und Pflichten der Orts-
Armenverbände über.
§. 33. Muß ein Norddeutscher, welcher keinen Unterstützungswohnsitz
hat, auf Verlangen ausländischer Staatsbehörden:!) aus dem Auslande über-
Zu Anmerkung 3 auf S. 360.
Weise vorgenommen wurde. Unzulässig ist die Ueberführung von Familienangehörigen
ohne das Familienhaupt, W. XXII. 156.
Die Ueberführung kann nöthigenfalls unter Anwendung von Zwang gegen Hülfs-
bedürftige ausgeführt werden, W. XIII. 110; XXII. 175.
Ein indirekter Zwang durch Androhung der Verweigerung fernerer Unterstützung
ist unzulässig, XXVI. 133. "
Verlangt der übernahmepflichtige Armenverband die Ueberführung, so kann ihm
zwar nicht die Abholung anheim gestellt werden, W. VII. 107, 111; IX. 117, doch
ist jener zur Abholung befugt, muß aber den überführungspflichtigen Armenverband
rechtzeitig benachrichtigen, widrigenfalls ihm nutzlos aufgewendete Kosten zur Last
fallen, XIII. 113; XXVI. 128.
Der Erstattungsanspruch wird durch verzögerte Ueberführung ganz oder theil-
weise verwirkt, Erk. 4. März 1876 (W. VII. 106—111). (In casu hatte der Armen-
verband R. unterlassen, die bereits einmal übergeführte, dann aber zurückgekehrte
Wittwe K. mit ihren Kindern zum zweiten Male überführen zu lassen.) Vergl. Erk.
5. Febr. 1881 (W. XIII. 111 und 114), 22. April 1882 (W. XIV. 96), 3. Sept.,
19 Nov. 1887 und 7. Jan. 1888 (W. XX. 150—158); außerdem W. XVII. 131;
XVIII. 102; XXI. 154; XXIII. 156; XXVI. 131, 133, 135.
Der Anspruch auf Erstatung der Kosten wird nicht verwirkt, wenn der betreffende
Armenverband die Ueberführung um deswillen ablehnt, weil es sich lediglich um eine
intermittirende Unterstützung, um eine vorübergehende Arbeirsunfähigkeit des Hülfs-
bedürftigen handelt, Erk. 28. Jan., 17. Febr. 1873 (W. II. 87—90) und 20. Okt.
1873 (W. III. 88).
1) Voraussetzung bei Anwendung des §. 33 ist, daß die Uebernahme auf Ver-
langen auswärtiger Staatsbehörden erfolgt, Erk. 21. Nov. 1874 (W. V. 100);
es bedarf aber zu seiner Anwendung nicht, daß das Verlangen durch eine der höchsten
Staatsbehörden gestellt ist, Erk. 26. Juni 1875 (W. VI. 82).
Die Uebernahme muß thatsächlich stattgefunden haben; der Betreffende darf nicht
etwa freiwillig in das Inland zurückgehen, W. XX. 159.
Die Uebernahme kann nicht dadurch ersetzt werden, daß der übernahmepflichtige
inländische Armenverband sich mit der ausländischen Gemeindebehörde des Aufenthaltsortes
dahin einigt, daß der Hülfsbedürftige dort verbleiben solle und der inländische Armen-
verband die Unterstützung dorthin gewähren werde, XXVII. 24.
Bei den Recherchen, welche der Uebernahme vorangehen, ist lediglich die Frage
der Staatsangehörigkeit zu erörtern; die Uebernahme darf nicht durch Untersuchungen
über den Unterstützungswohnsitz verzögert werden, Res. 9. April 1883 (M. Bl. S 54).
Die Polizeibehörde kann die Erstattung von Auslagen für die Unterstützung eines
von ihr auf Verlangen ausländischer Staatsbehörden aus dem Auslande übernommenen
hülfsbedürftigen Deutschen gegenüber dem nach §. 28 des Reichsges. 6. Juni 1870
verpflichteten Ortsarmenverbande nach den Grundsätzen über die freiwillige Besorgung
fremder Angelegenheiten auf dem Rechtswege in Anspruch nehmen. In Fällen
dieser Art ist eine vorgängige verwaltungsbehördliche Feststellung der Hülfsbedürftigkeit
und des Maßes der Unterstützung (§. 63 Ges. 8. März 187 1) nicht erforderlich, Erk.
20. Juni 1884 und 8. Jan. 1885 (M. Bl. S. 65).
Als Ausland im Sinne des §. 33 (s. 37 Ausf. Ges. 8. März 1871) sind auch
diejenigen deutschen Länder anzusehen, in denen das Reichsgesetz über den Unter-
stützungswohnsitz nicht eingeführt ist, Erk. 30 Juni 1877 (W. 1X. 122).
Die endgültige Entscheidung, ob in einem gegebenen Falle die Verpflichtung zur
Uebernahme eines Deutschen aus dem Auslande begründet ist, steht nur der Stelle zu,
welche das Inland dem Auslande gegenüber zu vertreten und die daraus sich ergebenden