368 Abschnitt V. Armenwesen. Reichsgesetz 88. 39.
so wird auf Antrag desjenigen Armenverbandes, welcher die öffentliche Unter-
stützung vorläufig zu gewähren genöthigt ist, über den erhobenen Anspruch im
Verwaltungswege durch diejenige Spruchbehörde entschieden, welche dem in An-
spruch genommenen Armenverbande vorgesetzt ist.
Die Zuständigkeit, den Instanzenzug, sowie das Verfahren regelt inner-
halb jeden Bundesstaates, vorbehaltlich der Vorschriften dieses Gesetzes, die
Landesgesetzgebung. 4 ·
§39.DiezurEntscheidungzuständigenLandesbehordensmdbefugts),
.-
Zu Anmerkung 2 auf S. 367.
Armenverband angestellte Klage, demnächst gegen ihn als Land-Armenverband gerichtet
wird. Erk. 22. Dez. 1883 (W. XVI. 162). Es kann aber nicht, statt des mittelft
der Klage in Anspruch genommenen Armenverbandes, ein anderer wenngleich durch
den nämlichen Vorstand vertretener Armenverband verurtheilt werden, Erk. 10. Jan.
1885 (W. XVII. 152). Wegen zulässiger Richtigstellung der Benennung des be-
klagten Armenverbandes vergl. W. XXIII. 131.
Unzulässig ist aber die Geltendmachung des Uebernahmeanspruches erst in zweiter
Instanz, XXVII. 165.
Zulässig ist unter Umständen die gleichzeitige Inanspruchnahme mehrerer Armen-
verbände als Gesammtschuldner, W. XXVII. 75, oder nach einander, VI. 96; XXV.
151; zulässig ist ferner die Erhebung einer Widerklage, V. 107; XXII. 92; XXVII.
80; jedoch nicht in der Berufungsinstanz, XIX. 162.
Ein die Uebernahmepflicht aussprechendes Urtheil verliert von selbst seine Wirk-
samkeit, sobald das Unterstützungsbedürfniß aufhört und sobald dem entsprechend, der
durch das Urtheil entschiedene Armenpflegefall seine Erledigung gefunden hat, Erk.
7. März 1885 (W. XVII. 146).
Die Zurücknahme einer Klage steht der Wiederanstellung einer neuen gleichen
Klage nicht unbedingt entgegen, Erk. 27. Juni 1885 (W. XVII. 150), ebenso nicht
die im Vorprozeß wegen mangelhafter Vertretung des Klägers erfolgte Abweisung,
XXI. 169.
1) Sie können unter Umständen Beweisaufnahmen von Amtswegen verfügen, Erk.
26. Juni 1880 (W. XII. 135). Die Eideszuschiebung ist als Beweismittel für That-
sachen zulässig, Erk. 17. Sept. 1881 (W. XIII. 130). Vergl. W. XII. 137; XVII.
142; XVIII. 158; XXI. 163.
Wegen analoger Anwendung der bürgerlichen Prozeßgesetze, insbesondere Ab-
lehnung der Gerichtspersonen bei der Entscheidung von Streitigkeiten zwischen ver-
schiedenen Armenverbänden, vergl. Erk. 7. Jan. 1888 (W. XX. 173); wegen Unzu.
lässigkeit zeugeneidlicher Vernehmung der gesetzlichen Vertreter der streitenden Armen-
verbande XVIII. 158; wegen Bedeutung der Anerkenutnisse in Armenstreitsachen
XVI. 164; XVIII. 160; XXVII. 80; Rechtsungültigkeit eines ohne vorherige Ladung
und Anhörung der Partei ergangenen Urtheils XXI. 170.
Die Entscheidung erfolgt unter freier Würdigung der Beweiemittel, ohne daß
die entscheidende Behörde an formale Beweisangabe (beispielsweise Vereidigung der
Zeugen) gebunden ist, Erk. 14. Mai 1881 (W. XIII. 135). Gegenüber den auf
Grund des obigen Gesetzes erhobenen Erstattungsansprüchen sind alle diejenigen Ein-
reden zulässig, welche nach den allgemeinen Rechtsgrundsätzen gegenüber obligatorischen
Ansprüchen überhaupt möglich sind, vorausgesetzt, daß sie dem einen Armenverband
als solchen gegen den andern Armenverband als solchem zustehen. Es gilt dies nament-
lich auch von den Einreden der Zahlung, der Kompensation und der rechtskräftig
entschiedenen Sache, Erk. 22. Mai 1886 (W. XVIII. 122). (In casu wurde der
Anspruch der klagenden Gemeinde auf Berichtigung von Portokosten abgewiesen, weil
zwischen ihr und der beklagten Gemeinde ein Abkommen bestand, daß jede Gemeinde
die abzulassenden Postsendungen ohne Rücksicht auf den Inhalt und unter Verzicht-
leistung auf Portoerstattung zu frankiren habe.) Gleiches gilt auch von der condictio
indebiti im Wege der Kompensationseinrede, Erk. 20. März 1886 (W. XVII. 125).
Eine bedingungsweise Verurtheilung ist in Armenstreitsachen unzulässig.
Hält der Richter noch Beweise für nöthig, so hat er die Anufnahme derselben anzu-
ordnen und dann definitiv zu. entscheiden, Erk. 4 Mai 1874 (W. IV. 110).
Die ergangene Entscheidung schafft nur Recht unter den im Streit befangenen
Parteien, Erk. 11. Dez. 1875 (W. VII. 1360).