Abschnitt VI.
Allgemeine Bestimmungen über die polizeilichen
Resort- und Kompetenzverhältnisse. Polizeigesetz.
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Allgemeines Landrecht Th. II. Tit. 171):
8. 10. Die nöthigen Anstalten zur Erhaltung der öffentlichen
Ruher), Sicherheit und Ordnungs), und zur Abwendung der dem
Publiko, oder einzelnen Mitgliedern desselben bevorstehenden
Gefahrt) zu treffen, ist das Amt der Polizei.
1) Gilt nicht nur im Gebiete des A. L. R., sondern ist Preußisches Landesrecht,
E. O. V. VII. 391; XV. 474; Erk. O. V. G. 11. Dez. 1890 (Pr. V. Bl. XII. 353).
2) Oeffentliche Ruhe ist nicht das Unbelästigtsein des Publikums vor störenden
Geräuschen, sondern eine den die Sicherheit und Ordnung betreffenden öffentlich-recht-
lichen Normen entsprechende Haltung der Unterthanen. Nur zur Erhaltung der letzteren
ist die Polizei befugt, E. O. V. XI. 349.
3) In der öffentlichen Ordnung ist auch die öffentliche Sittlichkeit inbegriffen,
Erk. O. V. G. 3. Juni 1891 (Bochmann, Rechtsgr. S. 286). Die drei Begriffe in dem
angezogenen Paragraphen sind nicht drei koordinirte Theile eines höheren Gesammt-
begriffes, dies zeigt sich schon äußerlich darin, daß man von Sicherheits= und
Ordnungspolizei, nicht aber von Ruhepolizei spricht, die öffentliche Nuhe ist vielmehr
die Voraussetzung der Sicherheit und Ordnung im Staate. Im §. 13 II. 13 wird
ste die allgemeine Ruhe und im Allerhöchsten Befehle vom 24. April 1812 innere
Ruhe des Staates genannt, E. O. V. IX. 344. Oeffentliche Ordnung ist nicht
gleichbedeutend mit öffentlichem Wohl, E. O. V. IX. 353. Anderer Meinung NRosin,
„das Polizeiverordnungsrecht in Preußen“, Berlin, 2. Aufl. 1895 S. 125 ff., der in
geistvoller Weise die Ansicht vertritt, daß die Polizeibehörden auch die Wohlfahrtspolizei
wahrzunehmen haben. Ein polizeilicher Zwang zur Förderung der all-
gemeinen Wohlfahrt — im Gegensatz zu denjenigen Zwangsmaßregeln, welche
die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit bezwecken — ist
nur auf Grund eines besonderen, durch die Gesetze gegebenen Anhalts zulässig
und in Ermangelung eines solchen nicht statthaft. So kann von einer Gemeinde die
Instandsetzung eines Brunnens — sofern nicht der Zustand desselben ein die öffentliche
Sicherheit gefährdender ist, oder wegen Mangels brauchbaren Trinkwassers ein Noth-
ftand besteht — lediglich im allgemeinen Wohlfahrtsinteresse polizeilich nicht ge-
fordert werden. Z
1) Der §. 10 II. 17 A. L. R. erklärt es allerdings für die Aufgabe der Polizei,
die nöthigen Anstalten nicht nur zur Erhaltung der öffentlichen Ruhe, Sicher-
heit und Ordnung, sondern auch zur Abwendung der dem Publikum oder ein-
zelnen Mitgliedern desselben bevorstehenden Gefahr zu treffen und unter einer
derartigen Gefahr ist nicht allein eine dem Leben und der Gesundheit, sondern auch
eine dem Vermögen des Einzelnen drohende Gefahr zu verstehen. Indeß ist auf der
anderen Seite „Gefahr“ nicht gleichbedeutend mit „Nachtheil“ und insbesondere kann,