414 Abschnitt VI. Kompetenz der Polizeibehörden.
Ueber die in den Kreisordnungs-Provinzen dem Regierungs-Präsidenten,
dem Landrath, der Ortspolizeibehörde und dem Gemeinde-(Guts-) Vorsteher
zustehende Befugniß, die von ihnen in Ausübung der obrigkeitlichen Gewalt ge-
troffenen, durch ihre gesetzlichen Befugnisse gerechtfertigten Anordnungen durch
Zwangsmittel durchzusetzen vergl. §§. 132 ff. des L. V. G. 1. Aug. 1883, ab-
gedruckt im Bd. II. Vergl. auch 8. 20 des Polizei-Verwaltungs-Ges. unten
S. 422.
Die Landespolizeibehörde führt die Aussicht über die Verwaltung der
Ortspolizei und kann, kraft dieser Aufsicht, zwar nicht willkürlich Gegenstände
der Ortspolizei durch landespolizeiliche Verfügungen regeln, wohl aber in
dringenden Fällen, in welchen die Weisung an die nachgeordnete Behörde
zum Einschreiten keine Gewähr des rechtzeitigen Erfolges darbietet, unmittel-
bar an Stelle der Ortspolizeibehörde verfügen. Die Entscheidung
über die Aufrechthaltung oder Aufhebung von polizeilichen Verfügungen ist
nicht davon abhängig, ob sie bei ihrem Erlasse von einer ausreichenden Be-
gründung begleitet gewesen sind, sondern davon, ob ihnen objektiv die erforder-
lichen thatsächlichen Grundlagen fehlen oder nicht, Erk. O. V. G. 20. Juni
1883 (M. Bl. S. 214). Vergl. E. O. V. XIV. 23, XXVI. 75.
Ein unmittelbares Eingreifen der Aufsichtsinstanz rechtfertigt sich zwar überall
da, wo ohne dieses die Zwecke der durch das Gesetz geordneten Aufssicht nicht erfüllt
werden können, also auch da, wo wegen besonderer Dringlichkeit der im öffentlichen
Interesse zu erreichende Erfolg nicht auf dem regelmäßigen Wege durch Ertheilung
von Anweisungen an die untere Instanz, sondern mit Sicherheit nur von dem sofortigen
unmittelbaren Einschreiten der Aufsichtsinstanz erwartet werden kann. Ohne diese
Voraussetzung erscheint aber ein Eingreifen der höheren Instanz in die gesetzlich ge-
ordnete Zuständigkeit der unteren Behörde, die die ihr übertragenen Befugnisse selbst-
ständig und unter eigener Verantwortung zu üben hat, nach der gesetzlichen Behörden-=
Organisation und nach dem Aufbau der gegen polizeiliche Verfügungen zugelassenen
Rechtsmittel als unstatthaft, E. O. V. XXIV. 347 f.
Die in den Beschwerdeinstanzen über polizeiliche Verfügungen entscheidenden Be-
hörden bilden mit der untergeordneten Polizeibehörde die an sich einheitliche staatliche
Polizeiverwaltung, so daß die Aufhebung einer polizeilichen Verfügung in der
Beschwerdeinstanz rechtlich dieselbe Wirkung hat, wie die Zurücknahme der Verfügung
seitens der untern Polizeibehörde selbst, Erk. O. V. G. 14. Nov. 1894 (Zeitsch. f. Pol. u.
Verw. B. III. 85).
Der Prüfung polizeilicher Anordnungen in der zweiten Beschwerdeinstanz sind in
dem Gesetz keine Schranken gezogen, insbesondere ist ihm die Ausschließung von Ein-
wendungen fremd, deren Anführung bei Erhebung der ersten Beschwerde unterlassen
ist. Die Prüfung ist eine allgemeine von allen Gesichtspunkten aus. Schon im
Hinblick auf die begriffliche Einheit der staatlichen Polizeiverwaltung durch alle In-
stanzen ist eine derartige Prüfung geboten, da die Aufsichtsbehörde durch die Bestätigung
einer polizeilichen Verfügung an die Stelle der Polizeibehörde, von der letztere aus-
gegangen ist, tritt. Ihr Bescheid würde mithin, wenn bei ihm die Vernachlässigung
wesentlicher Förmlichkeiten übersehen wird, ebenso hinfällig wie die polizeiliche Ver-
fügung sein, Erk. O. V. G. 16. März 1891 (Bochmann, Rechtsgr. S. 294).
Die Polizei-Dirigenten haben den von ihren Untergebenen durch zu häufige
Denunziationen etwa bewiesenen übergroßen Diensteifer, wo solcher sich zeigen sollte,
durch geeignete Einwirkung, unter Hinweisung auf die zu scharf von ihnen behandelten
Spezialfälle, angemessen zu regeln und ihnen, wo es die Umstände gestatten, zuvörderst
das Einschreiten im Wege der Verwarnung zu empfehlen, Ref. 28. Juli 1859 und
26. März 1860 (an den Oberpräsidenten der Rheinprovinz erlassen unter Zustimmung
des Justizministers). (Vergl. jedoch §. 346 Str. G. B.)