Abschnitt I. Verfassung des Deutschen Reichs. 29
S. 30. Auf die engere Wahl kommen nur diejenigen beiden Kandidaten, welche
die meisten Stimmen erhalten haben (§. 12 des Gesetzes). Sind auf mehrere Kan-
didaten gleich viele Stimmen gefallen, so entscheidet das Loos, welches durch die Hand
des Wahlkommissars gezogen wird, darüber, welche beiden Kandidaten auf die engere
Wahl zu bringen seien.
In der wegen Vornahme der engeren Wahl nach Vorschrift des §. 8 des Regle-
ments zu erlassenden Bekanntmachung find die beiden Kandidaten, unter denen zu
wählen ist, zu benennen, und es ist ausdrücklich darauf hinzuweisen, daß alle auf
andere Kandidaten fallenden Stimmen ungültig sind.
8. 31. Die engere Wahl findet auf denselben Grundlagen und nach denselben
Vorschriften statt, wie die erste.
Insbesondere bleiben die Wahlbezirke, die Wahllokale und die Wahlvorsteher
unverändert, soweit nicht eine Ersetzung der letzteren oder eine Verlegung der Wahl-
lokale nach dem Ermessen der zur Bestimmung hierüber nach den §§. 6 und 8 des
Reglements berufenen Behörden geboten erscheint.
Dergleichen Abänderungen sind nach Vorschrift des §. 8 des Reglements bekannt
zu machen, ohne daß jedoch hierfür oder für die rücksichtlich der engeren Wahl sonst
erforderlichen Bekanntmachungen (§§. 8 und 30 des Reglements) die dort festgesetzte
Frist eingehalten zu werden braucht.
Auch ist die Bescheinigung darüber, daß die erwähnten Bekanntmachungen in
ortsüblicher Weise erfolgt sind, nicht auf der Wählerliste zu ertheilen, sondern von
den Gemeindevorständen den Wahlvorstehern noch vor dem Wahltermine besonders
einzureichen. .
Bei der engeren Wahl sind dieselben Wählerlisten anzuwenden, wie bei der ersten
Wahlhandlung. Sie sind zu diesem Zwecke von den Wahlakten zu trennen und den
Wahlvorstehern zuzustellen. Eine wiederholte Auslegung und Berichtigung derselben
findet nicht statt.
§. 32. Tritt bei der engeren Wahl Stimmengleichheit ein, so entscheidet das
Loos, welches durch die Hand des Wahlkommissars gezogen wird.
§. 33. Der Gewählte ist von der auf ihn gefallenen Wahl durch den Wahl-
kommissar in Kenntniß zu setzen und zur Erklärung über die Annahme derselben, so-
wie zum Nachweise, daß er nach §. 4 des Gesetzes wählbar ist, aufzufordern.
Annahme unter Protest oder Vorbehalt, sowie das Ausbleiben der Erklärung
binnen acht Tagen, von der Zustellung der Benachrichtigung, gilt als Ablehnung.
§. 34. Im Falle der Ablehnung, oder wenn der Reichstag die Wahl für un-
gültig erklärt, hat die zuständige Behörde sofort eine neue Wahl zu veranlassen.
Für dieselbe gelten die Vorschriften des §. 31 des Reglements mit der Maß-
gabe, daß bei den zu erlassenden Bekanntmachungen die im §. 8 des Reglements
bestimmte achttägige Frist einzuhalten ist.
In gleicher Weise ist zu verfahren, wenn für ausgeschiedene Mitglieder des Reichs-
tages während des Laufes derselben Legislaturperiode Ersatzwahlen stattfinden. Tritt
dieser Fall jedoch später als ein Jahr nach den allgemeinen Wahlen ein, so müssen
die gesammten Wahlvorbereitungen, mit Einschluß der Aufstellung und Auslegung
der Wählerlisten, erneuert werden.
§. 35. Sämmtliche Verhandlungen, sowohl über die Wahlen in den Wahlbezirken,
als über die Zusammenstellung der Ergebnisse, werden von dem Wahlkommissar un-
verzüglich der zuständigen Behörde eingereicht, welche dieselben der Centralverwaltungs-
behörde zur weiteren Mittheilung an den Reichstag des Norddeutschen Bundes vor-
zulegen hat.
#§. 36. Die in Gemäßheit der in den einzelnen Bundesstaaten bestehenden Ver-
waltungsorganisation nach den S§. 2, 3, 6, 8, 24, 34 und 35 zur Zeit zuständigen
Behörden weist das unter Littr. D. anliegende Verzeichniß) nach.
1) Berichtigungen, bezw. Abänderungen: B. G. Bl. 1870 S. 488; Bek. 24. Jan.
1872 (R. G. Bl. S. 38); 9. Jan. 1890 (C. Bl. d. D. R. S. 10); 13. Mai 1893
(das. S. 141); für Elsaß-Lothringen: 1. Dez. 1873 (R. G. Bl. S. 374).