Full text: Handbuch für Preußische Verwaltungsbeamte. Erster Band. (1)

450 Abschnitt VI. Schutz der persönlichen Freiheit. 
Schutz dieser Personen oder die Aufrechterhaltung der öffeutlichen Sittlichkeit, 
Sicherheit und Ruhe diese Maßregel dringend erfordern!). Die polizeilich in 
Verwahrung genommenen Personen müssen jedoch spätestens im Laufe des 
folgenden Tages in Fretheit gesetzt oder es muß in dieser Zeit das Erforder- 
liche veranlaßt werden, um sie der zuständigen Behörde zu überweisen. 
S. 7. In eine Wohnung:) darf wider den Willen des Inhabers Niemand 
eindringen, außer auf Grund einer aus amtlicher Eigenschaft folgenden Be- 
fugniß oder eines von einer gesetzlich dazu ermächtigten Behörde ertheilten 
Auftrages ?). 
§. 8. Das Eindringen in die Wohnung während der Nachtzeit ist ver- 
boten. Die Nachtzeit umfaßt für die Zeit vom 1. Oktober bis 31. März die 
Stunden von 6 Uhr Abends bis 6 Uhr Morgens und für die Zeit vom 
1. April bis 30. September die Stunden von 9 Uhr Abends bis 4 Uhr Morgens. 
§. 9. Das Verbot, in eine Wohnung zur Nachtzeit einzudringen, begreift 
nicht die Fälle einer Feuers= oder Wassersnoth, einer Lebensgefahr oder eines 
aus dem Innern der Wohnung hervorgegangenen Ansuchens; es bezieht sich 
nicht auf die Orte, in welchen während der Nachtzeit das Publikum ohne 
Unterschicd zugelassen wird, so lange diese Orte dem Publikum zum ferneren 
Eintritt oder dem eingetretenen Publikum zum ferneren Verweilen geöffnet sind. 
§. 10. Zum Zweck der vorläufigen Ergreifung und Festnahme einer 
Person, welche bei Ausführung einer strafbaren Handlung oder gleich nach 
derselben verfolgt worden, sowie zum Zweck der Wiederergreifung eines ent. 
sprungenen Gefangenen, darf der verfolgende oder zugezogene Beamte, in- 
gleichen die verfolgende oder zugezogene Wachmannschaft, auch zur Nachtzeit 
in eine Wohnung eindringen, wenn dringende Gründe dafür sprechen, daß bei 
längerer Verzögerung der Verfolgte sich der Festnahme ganz entziehen werde. 
Der Zutritt zu den von Militärpersonen benutzten Wohnungen darf den 
Militär-Vorgesetzten oder Beauftragten, Behufs Vollziehung dienstlicher Befehle, 
auch zur Nachtzeit nicht versagt werden. Das Verbot, in eine Wohnung bei 
Nachtzeit einzudringen, bezieht sich nicht auf diejenigen Räume, welche die Zoll- 
und Steuerbeamten für Vollziehung der ihnen obliegenden Nevisionen zu be- 
ÛÚÚ 
) Diese polizeiliche Festnahme ist von den Voraussetzungen der Untersuchungshaft 
unabülne Er. . G. 13. April 1881 (E. Crim. IV. 101). haf 
Die Polizeibehörde darf die Anordnung zum Betreten der Ränme einer ge- 
schlossenen Gesellschaft und zum Verweilen in denselben auch wider den Willen 
der Inhaber nur unter den in dem Ges. 12. Febr. 1850 hierfür ausdrücklich bestimmten 
Voraussetzungen ertheilen. Insbesondere genügt zur Rechtfertigung einer solchen Maß- 
nahme weder die Absicht, festzustellen, ob Fremde zu einer durch die geschlossene Ge. 
sellschaft veranstalteten Tanzlustbarkeit zugelassen worden sind, noch die bloße Mög- 
lichkeit, daß eine geschlossene Gesellschaft die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit 
beeinträchtigt und demgemäß auch nicht die Möglichkeit, daß sich ein Verein unter 
dem Vorgeben geselliger Vergnügungen der polizeilichen Aufsicht bei Erörterung öffent- 
licher Angelegenheiten entziehen will. Nur der auf thatsächlichen Voraus. 
setzungen beruhende Verdacht, daß solche Handlungen begangen werden, kann 
die Polizeibehörde zum Eindringen in die Räume der Gesellschaft berechtigen (§§. 10 
und 12 Nr. 3 des Ges.), Erk. O. V. G. 8. Nov. 1876 (E. O. V. I. 375). 
Res. 21. Sept. 1881 (II. 9032): Die Emtscheidung des R. G. 11. Jan. d. J. 
(Bd. 3 der Entsch. in Strassachen S. 185) erkennt an, daß die Polizeibeamten auch 
ohne Anordnung der Staatsanwaltschaft oder des Richters, und ohne daß sie Hülfs- 
beamte der Staatsanwaltschaft sind, bei Tag und Nacht in Wohnungen, welche als 
Schlupfwinkel des Glückspiels oder der gewerbsmäßigen Unzucht bekannt sind, zum 
Zwecke der Nachforschung nach dem Aufenthalte liederlicher Frauenzimmer eintreten 
können. 
:) Dahin gehört auch der Auftrag zur Zwangsgestellung einer Person. Die Er. 
greifung auf Grund solchen Auftrags ist nicht eine „vorläufige Festnahme“ im Sinne 
des Ges. Zur Ausführung des Auftrags können die Beamten zur Tageszeit auch 
in die Wohnung eines Dritten eindringen, Erk. R. G. 23. März 1880 (E. Crim. 1.331). 
 
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.