Full text: Handbuch für Preußische Verwaltungsbeamte. Erster Band. (1)

Abschnitt VI. Polizeiliches Einschreiten gegen Militärs. 491 
Zu solchen Ausnahmefällen gehört, wenn eine Militärperson in Uniform, 
die sich die Ueberschreitung polizeilicher Anordnungen zu Schulden kommen läßt, den 
Ermahnungen und Aufforderungen der Polizeibeamten, sich diesen zu fügen, nicht 
Folge leistet und die geforderte Auskunft über ihren Namen, ihre Charge, ihren 
Truppentheil verweigert, oder ersichtlich falsch angiebt; wenn sie Straßenunfug treibt, 
sich in Schlägereien einläßt, oder wenn sie erhebliche Vergehen oder Verbrechen begeht. 
In diesen Fällen sind die Polizeibeamten berechtigt, die Arretirung der betreffenden 
Militärperson selbst vorzunehmen, sofern es nicht möglich ist, rechtzeitig Militär-Wacht- 
mannschaften oder einen Militär-Vorgesetzten dazu heranzuziehen. 
Die Polizeibeamten tragen jedoch die Verantwortlichkeit und setzen sich der Be- 
strafung aus, wenn sie zu früh und ohne Noth eine Arretirung vorgenommen haben, 
wo es genügt hätte, die Identität der Person festzustellen. Die Dringlichkeit der Ver- 
hältnisse giebt dann in dem gegebenen Falle den Maßstab zur Beurtheilung des Ver- 
fahrens der Polizeibeamten. 
Sind diese Beamten genöthigt, gegen eine Militärperson in Uniform direkt ein- 
zuschreiten oder gar ihre Arretirung vorzunehmen, so muß dies auf die möglichst 
schonende Weise geschehen, und dieselben machen sich strafbar, wenn sie die dem Mi- 
litärstande zukommenden Rücksichten vernachlässigen, wenn fie beleidigende Worte dabei 
gebrauchen, sich in ihrer Stellung überheben, oder gar zu Thätlichkeiten sich hinreißen 
lassen. 
s Die Polizeibeamten können um so ruhiger und gemessener bei diesen Vorkommen- 
heiten verfahren, weil sie nach den eben hervorgehobenen Bestimmungen die Gewiß- 
heit haben, daß, wenn sie in ihrem Rechte sind, jede Militärperson, welche gegen ihre 
amtliche Stellung fehlt, streng bestraft werden wird. 
Die Polizeibeamten haben ferner jede von ihnen arretirte Militärperson in Uni- 
sorm ohne Verzug der nächsten Militärwache, zu welchen auch die Kasernenwachen zu 
rechnen sind, zuzuführen und daselbst ihre Anzeige über den Grund der Arretirung 
sofort niederzuschreiben. 
2. 
Giebt das Vorstehende einen Anhalt für das Benehmen der Polizeibeamten gegen 
Militärpersonen vom Stande der Feldwebel und Wachtmeister abwärts, so kommen 
in Bezug auf Offiziere noch andere Gesichtspunkte in Betracht. 
Der Offizier ist dadurch, daß er die Offizier-Uniform der Armee Seiner Majestät 
des Königs trägt, als Offizier legitimirt, bedarf der Polizei gegenüber keiner andern 
Legitimation ) und darf und muß demgemäß (er mag zu den aktiven oder nicht aktiven 
Offizieren gehören) im Interesse seines Standes besondere Rücksichten in Anspruch 
nehmen. 
Sein Stand legt ihm dagegen aber auch die Verpflichtung auf, den Befehlen 
seiner Vorgesetzten mit Pünktlichkeit nachzukommen, daher sich nicht erwarten läßt, 
daß ein Offizier gegen polizeiliche ihm bekannt gewordene Anordnungen fehlen wird. 
Sollte dies demungeachtet geschehen, so geht die Befugniß der Polizeibeamten nur 
dahin, den Offizier ruhig und in angemessenen Worten darauf aufmerksam zu machen, 
daß er gegen eine solche polizeiliche Auordnung gefehlt habe. 
Es ist anzunehmen, daß der Offizier einer solchen Aufforderung sofort Folge 
geben wird; sollte er es wider Erwarten nicht thun, so haben die Polizeibeamten 
sogleich Meldung von dem Vorfalle zu machen. Weiter gehen ihre Befugnisse hier 
nicht, da es dem allgemeinen Interesse mehr entspricht, daß eine polizeiliche Ueber- 
tretung augenblicklich ungerügt bleibt und erst später eine strenge Rüge zur Folge hat, 
als daß ein Konflikt zwischen Offizieren und Polizeibeamten herbeigeführt wird. 
Nur wenn ein Offizier sich und seinen Stand so weit vergessen sollte, daß 
er ein Verbrechen begeht, und zur Aufrechthaltung der öffentlichen Ordnung und 
Sicherheit der Personen Gefahr im Verzuge ist, so haben die Polizeibeamten das Recht, 
auch gegen Offiziere direkt einzuschreiten und nöthigenfalls selbst eine Arre- 
tirung vorzunehmen, sofern es nicht möglich sein sollte, diese durch einen Militär- 
vorgesetzten oder durch eine Militärwache zu bewirken. 
1) In Betreff der Frage: wann ein Offizier den Civilbehörden gegenüber als in 
Uniform befindlich anzusehen sei, vergl. die Cirk. Verf. des Kriegsministers 23. Mai 
1856 und die A. K. O. 8. Mai 1856 (Milit. G. S. Bd. V Nr. 917 S. 390).
	        
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