Full text: Handbuch für Preußische Verwaltungsbeamte. Erster Band. (1)

Abschnitt IX. Strafgesetzbuch. Verbrechen wider d. öffentl. Ordnung. 601 
» Ist die Entweichung durch Fahrlässigkeit befördert worden, so tritt Ge- 
fängnißstrafe bis zu drei Monaten oder Geldstrafe bis zu dreihundert Mark ein. 
§. 122. Gefangene, welche sich zusammenrotten!) und mit vereinten 
Kräften die Anstaltsbeamten oder die mit der Beaufsichtigung Beauftragten an- 
greifen, denselben Widerstand leisten oder es unternehmen, sie zu Handlungen 
oder Unterlassungen zu nöthigen, werden wegen Meuterei mit Gefängniß nicht 
unter sechs Monaten bestraft. 
Gleiche Strafe tritt ein, wenn Gefangene sich zusammenrotten 2) und mit 
vereinten Kräften einen gewaltsamen. Ausbruch unternehmen. 
Diejenigen Meuterer, welche Gewaltthätigkeiten gegen die Anstaltsbeamten 
oder die mit der Beaufsichtigung Beauftragten verüben, werden mit Zuchthaus 
bis zu zehn Jahren bestraft; auch kann auf Zulässigkeit von Polizeiaufsicht er- 
kannt werden. 
Siebenter Abschnitt. Verbrechen und Vergehen wider die öffent- 
liche Ordnung. 
§. 123. Wer in die Wohnung, in die Geschäftsräume oder in das be- 
friedete Besitzthum eines Anderen?) oder in abgeschlossene Räume, welche zum 
1) Bei Zusammenrottungen von Strafgefangenen ist zur Bestrafung des einzelnen 
Meuterers nicht der Nachweis erforderlich, daß er selbst Handlungen des Angriffs, 
des Widerstandes oder der Nöthigung gegen die Anstaltsbeamten oder Aufseher verübt 
habe, Erk. O. Trib. 8. März 1876 (E. LXXVII. 393), vergl. Erk. R. G. 18. Dez. 
1886 (E. Crim. XIV. 217). Der §. 122 findet Anwendung, wenn auch nur zwei 
Gefangene sich zusammengerottet haben, Erk. R. G. 1. Juni 1880 (E. Crim. II. 80) 
und 22. Okt. 1885 (E. Crim. XIII. 17); zum Begriff des Zusammenrottens gehört 
aber ein räumliches Zusammensein, Erk. R. G. 25. Sept. 1880 (E. Crim. III. 1). 
Die disziplinarische Bestrafung der Betheiligten durch die Gefängnißbehörde schließt 
die strafrechtliche Verfolgung auf Grund des §. 122 nicht aus, Erk. 3. Dez. 1863 
und 25. Sept. 1877 bei Opp. Anm. 18 zu §. 123. 
2) Der §. 122 verlangt ein Zusammenrotten der Gefangenen und ein Unter- 
nehmen, das einen gemeinsamen Ausbruch mit vereinten Kräften zum Gegenstande 
hat; dazu gehört, daß mehrere Gefangene mit vereinten Kräften zu einem gewaltsamen 
Ausbruch sich vereinen und auch thätig werden, um diesen gewalsamen Ausbruch mit 
vereinten Kräften auszuführen. Nicht nothwendig ist, daß alle Gefangenen, welche sich 
zu diesem Zweck vereinigt haben, auch an der Gewaltanwendung sich betheiligen, auch 
die bloße Gegenwart, wenn sie darauf abzielt, die Gewaltanwendung zu unterstützen, 
kann zur Annahme einer Mitwirkung mit vereinten Kräften für ausreichend erachtet 
werden. Erk. R. G. 20. Jan. 1888 (E. Crim. XVII 47). 
„) Auch der Miether (Aftermiether, ein aufgenommener Wirthshaus-Logirgast rc.) 
hat Anspruch auf den Schutz des §. 123 und zwar selbst dem Eigenthümer (Ver- 
miether) gegenüber. Vergl. Erk. bei Opp. Anm. 1 zu S. 123. 
Der §. 123 ist auch dann anwendbar, wenn der Angeschuldigte in eine Scheune 
eingedrungen war, die mit dem Hause, welches der Eigenthümer bewohnte, nicht auf 
demselben Hofe lag, sondern auf einem andern Hofe, dessen Aufsicht der Eigenthümer 
einem anderen Wirthe übertragen hatte, Erk. 12. Dez. 1884 (E. Crim. X. 293). 
Besondere Einhegung ist nicht erforderlich, wenn der Jusammenhang des Grundstückes 
mit Wohnungen oder Geschäftsräumen erkennbar ist, E. Crim. XX. 154. 
Die Ehefrau ist in Vertretung des Ehemannes zur Wahrung des Hausrechts und 
in dem Falle des §. 123 auch zur Stellung des Strafantrages berechtigt, Erk. O. 
Trib. 21. Okt. 1875 (E. LXXVI. 552). Auch durch widerrechtliches Verweilen auf 
Treppe, Hausflur oder Vorplatz einer von mehreren Personen benutzten Wohnung kann, 
ohne Betretung der letzteren, ein Hausfriedensbruch begangen werden, Erk. R. G 
10. Dez. 1879 (E. Crim. I. 121). 
Insofern bestimmte Räume ausschließend oder zu bestimmten Zwecken einzelnen 
Personen aus dem Hausstande des Wohnungsinhabers zur Benutzung angewiesen sind, 
erscheinen diese Personen während der Dauer der Benutzung als die natürlichen 
Stellvertreter des Wohnungsinhabers und sind berechtigt, während sie solche Räume 
inne haben und benutzen, unbefugten Dritten gegenüber als Stellvertreter des Wohnungs- 
 
	        
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