Full text: Handbuch für Preußische Verwaltungsbeamte. Erster Band. (1)

604 Abschnitt IX. Strafgesetzbuch. Verbrechen wider d. öffentl. Ordnung. 
lungen bestimmten Orte vor Mehreren Angelegenheiten des Staats in einer 
den öffentlichen Frieden gefährdenden Weise zum Gegenstande einer Ver- 
kündigung oder Erörterung macht, wird mit Gefängniss oder Festungshaft 
bis zu zwei Jahren bestraft. 
Gleiche Strafe trifft denjenigen Geistlichen oder anderen Religionsdiener 
welcher in Ausübung oder in Veranlassung der Ausübung seines Berufes 
Schriftstücke ausgiebt oder verbreitet, in welchen Angelegenheiten des 
Staats) in einer den öffentlichen Frieden gefährdenden Weise zum Gegenstande 
einer Verkündigung oder Erörterung gemacht sind. 
§. 131. Wer erdichtete oder entstellte Thatsachen?), wissend 2), daß sie er- 
dichtet oder entstellt sind, öffentlich behauptet oder verbreitet, um dadurch Staats- 
einrichtungen oder Anordnungen) der Obrigkeit verächtlich zu machen, wird mit 
Estaisue bis zu sechshundert Mark oder mit Gefängniß bis zu zwei Jahren 
estraft. 
g. 132. Wer unbefugt sich mit Ausübung eines öffentlichen Amtes ) 
befaßt oder eine Handlung vornimmt, welche nur kraft eines öffentlichen Amtes 
vorgenommen werden darf, wird mit Gefängniß bis zu einem Jahre oder mit 
Geldstrafe bis zu dreihundert Mark bestraft. . 
§. 133. Wer eine Urkunde, ein Register, Akten oder einen sonstigen 
Gegenstand, welche sich zur amtlichen Aufbewahrung an einem dazu bestimmten 
Orte befinden, oder welche einem Beamten oder einem Dritten amtlich über- 
geben worden sind, vorsätzlich vernichtet, bei Seite schafft oder beschädigt, wird 
mit Gefängniß bestraft. 
Ist pie Handlung in gewinnsüchtiger Absicht begangen, so tritt Gefängniß- 
strafe nicht unter drei Monaten ein; auch kann auf Verlust der bürgerlichen 
Ehrenrechte erkannt werden. 
§. 134. Wer öffentlich angeschlagene Bekanntmachungen, Verordnungen 
Befehle oder Anzeigen von Behörden oder Beamten böswillig abreißt, beschädigt 
oder verunstaltet, wird mit Geldstrafe bis zu dreihundert Mark oder mit 
Gefängniß bis zu sechs Monaten bestraft. 
§. 135. Wer ein öffentliches Zeichen der Autorität des Reichs oder eines 
Bundesfürsten oder ein Hoheitszeichen eines Bundesstaats böswillig wegnimmt, 
  
1) „Des Staates“. Dahin gehören auch Reichstagswahlen, Erk. 11. Dez. 1885 
(E. Crim. XIII. 169) und zwar auch dann, wenn die Wahlen an sich unan- 
fechtbar erledigt sind, und z. B. hinterher die Abstimmung der Pfarrangehörigen zum 
Gegenstande einer Erörterung gemacht wird; Erk. R. G. 21. Okt. 1895 (E. Crim. 
XXVII. 429). 
:) Auch die sog. inneren Thatsachen, wie Beweggründe, Absichten, Ziele; 
E. Crim. XVI. 368; XXII. 128; XXIV. 300. 
2) Die mangelnde Ueberzeugung von der Wahrheit der betreffenden Behauptung 
genügt nicht zum Thatbestande des Vergehens aus §. 131. Vergl. Opp. Anm. 11 zu S. 131. 
4) Dahin gehören auch Anordnungen, welche nur einen einzelnen Fall oder eine 
einzelne Person betreffen, Erk. R. G. 21. Juni 1881 (E. Crim. IV. 297). Sie 
müssen aber irgend welche die öffentliche Ordnung berührende Seite haben, E. Crim. 
Der §. 131 Str. G. B. findet nicht Anwendung bei Angriffen auf Staats- 
einrichtungen, welche einer längstvergangenen Zeit angehören und zur gegenwärtigen 
  
“oi- in gar keiner Beziehung stehen, Erk. 29. Nov. 1887 (E. Crim. 
s5) Ein Geistlicher, welcher den Religionsunterricht in der öffentlichen Volksschule 
ertheilt, Uübt — wenigstens im Bezirk des Allg. Landrechts — ein öffentliches Amt 
aus und handelt mithin dem F. 132 zuwider, wenn er sich unbefugt mit der Er- 
theilung jenes Unterrichts befaßt, Erk. O. Trib. 12. Okt. 1874 (E. Crim. LXX III. 
406) und 6. Jan. 1876 (M. Bl. S. 105). 
Unter öffentlichen Aemtern sind nur die mittelbar oder unmittelbar vom Staate 
verliehenen Aemter, nicht aber die Aemter der Kirche oder anderer Gemeinschaften zu 
verstehen, Erk. 13. März 1884 (E. Crim. X. 199). 
Gleichgültig ist es, ob alle Formvorschriften erfüllt sind (Zusendung eines vom 
Richter nicht unterschriebenen Zahlungsbefehls), E. Crim. XXIII. 205.
	        
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