Full text: Handbuch für Preußische Verwaltungsbeamte. Erster Band. (1)

Abschnitt IX. Strafgesetzbuch. Beleidigung. 619 
3 197. Eines Antrages bedarf es nicht, wenn die Beleidigung gegen 
eine gesetzgebende Versammlung des Reichs oder eines Bundesstaats, oder gegen 
eine andere politische Körperschaft begangen worden ist. Dieselbe darf jedoch 
nur mit Ermächtigung der beleidigten Koͤrperschaft verfolgt werden. 
§. 198. Ist bei wechselseitigen Beleidigungen von einem Theile auf Be- 
strafung angetragen worden, so ist der andere Theil bei Verlust seines Rechts 
verpflichtet, den Antrag auf Bestrafung spätestens vor Schluß der Verhandlung 
in erster Instanz zu stellen, hierzu aber auch dann berechtigt, wenn zu jenem 
Zeitpunkte die dreimonatliche Frist bereits abgelaufen ist. 
199. Wenn eine Beleidigung auf der Stelle erwidert wird, so kann 
der Richter beide Beleidiger oder einen derselben für straffrei erklären. 
§. 200. Wird wegen einer öffentlich oder durch Verbreitung von Schriften, 
Darstellungen oder Abbildungen begangenen Beleidigung auf Strafe erkannt, 
so ist zugleich dem Beleidigten die Befugniß ) zuzusprechen, die Verurtheilung 
auf Kosten des Schuldigen öffentlich bekannt:) zu machen. Die Art der Be- 
kanntmachung, sowie die Frist zu derselben ist in dem Urtheile zu bestimmen. 
  
Zu Anmerkung 4 auf S. 618. 
Beamten erhoben ist, so haben die Vorgesetzten nicht das Recht, einen Strafantrag 
zu stellen, Erk. 26. Nov. 1885 (E. Crim. XIII. 95). 
Auch für den Vorgesetzten eines Beamten beginnt die Verjährung des Rechtes 
(5. 61), den Strafantrag zu stellen, erst vom Tage seiner Kenntniß der betr. Be- 
leidigung, Erk. R. G. 24. Nov. 1880. Der Kreisausschuß, als amtlicher Vorgesetzter 
des Amtsvorstehers, ist befugt, wegen einer dem letzteren mit Bezug auf seine amtliche 
Thätigkeit zugefügten Beleidigung den Antrag auf Strafverfolgung zu stellen, Erk. 
O. Trib. 23. Sept. 1875 (E. LXXV. 350). Sofern es sich um polizeiliche 
Maßnahmen handelt, ist der Landrath Vorgesetzter des Amtsvorstehers im Sinne des 
6. 196, Erk. 7. April 1881 (E. Crim. IV. 220) 
Der Kreissynodalvorstand gehört zu den Behörden, und der 5. 196 findet auch 
auf kirchliche Behörden Anwendung, Erk. O. Trib. 24. Jan. 1878 (E. LXXX . 
329), desgl. auch eine städtische Sparkassenverwaltung, Erk. 1. Sept. 1882 (E. Crim. 
VI. 247). Juristische Personen, Korporationen oder andere durch einen Kollektiv= 
begriff umfaßte Personenmehrheiten können nicht als solche, sondern nur insofern be- 
leidigt werden, als mittels der Beleidigungen die einzelnen durch den Kollektivbegriff 
bezeichneten Personen betroffen werden. Die Behauptung, daß eine Behörde als 
solche nicht beleidigt werden könne, ist unrichtig, Erk. R. G. 12. April 1881 (E. 
Crim. 1V. 75). 
In der Rheinprovinz kann der Landrath den Strafantrag wegen Beleidigung 
eines städtischen Bürgermeisters siellen, Erk. 30. Jan. 1888 (E. Crim. XVII. 81). 
Wird ein Forstbeamter als Hülfsbeamter der Staatsanwaltschaft beleidigt, so ist 
auch der Forstvorgesetzte zum Strafantrage berechtigt, E. Crim. XXIII. 360. 
1) Diese Befugniß kann auch den Vorgesetzten zuerkannt werden, E. Crim. XIV. 
327. Sie muß ohne Antrag ausgesprochen werden (auch im Falle des Abs. 2, E. 
Crim. XIV 154) und geht auf die Erben nicht über, E. Crim. XVI. 73. 
2) Wird der verantwortliche Redakteur einer periodischen Zeitschrift, welche Be- 
leidigungen enthält, auf Grund des §. 21 des Preßges. wegen Fahrlässigkeit bestraft, 
so ist die Bestrafung nicht wegen Beleidigung ( 200 Str. G. B.) auszusprechen 
und dem Beleidigten nicht die Publikationsbefugniß zuzusprechen, Erk. 2. Febr. 1886 
(E. Crim XIII. 319). 
Dem Beleidigten ist, ohne Unterschied der Form der Beleidigung, also auch wenn 
sie nicht öffentlich oder durch Verbreitung von Schriften, Darstellungen oder Ab- 
bildungen begangen worden ist, eine Ausfertigung des Urtheils auf Kosten des 
Schuldigen zu ertheilen, Erk. O. Trib. 5. April 1876 (E. LXX VIII. 334). 
Die Kosten für die gemäß §. 200 gestattete Publikation des Urtheils sind im 
Falle der Bermögenslosigkeit des Angeschuldigten, nicht vom Staate, sondern von dem 
Beleidigten vorzuschießen, beziehungsweise zu tragen, Erk. O. Trib. 3. Okt. 1875 (E. 
I.XXVIII. 341). 
Res. 31. März 1875 (J. M. Bl. S. 90), betr. die Art der Bekanntmachung, 
wenn wegen einer kdurch Verbreitung von Schriften begangenen Beleidigung nach 
§. 200 auf Strafe erkannt und dem Beleidigten die Befugniß zugesprochen wird, die 
Verurtheilung auf Kosten des Schuldigen öffentlich bekannt zu machen.
	        
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