Abschnitt IX. Strafgesetzbuch. Urkundenfälschung. 631
1. die Urkunde eine Privaturkunde ist, mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren,
neben welchem auf Geldstrafe bis zu dreitausend Mark erkannt werden kann;
2. die Urkunde eine öffentliche ist, mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren,
neben welchem auf Geldstrafe von einhundertfünfzig bis zu sechstausend
Mark erkannt werden kann.
Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängnißstrafe ein, welche
bei der Fälschung einer Privaturkunde nicht unter einer Woche, bei der Fäl-
schung einer öffentlichen Urkunde nicht unter drei Monaten betragen soll. Neben
der Gefängnißstrafe kann zugleich auf Geldstrafe bis zu dreitausend Mark er-
kannt werden.
§. 269. Der fälschlichen Anfertigung einer Urkunde wird es gleich ge-
achtet, wenn Jemand einem mit der Unterschrift eines Anderen versehenen
Papiere ohne dessen Willen oder dessen Anordnungen zuwider durch Ausfüllung
einen urkundlichen Inhalt giebt.
§. 270. Der Urkundenfälschung wird es gleich geachtet, wenn Jemand
von einer falschen oder verfälschten Urkunde, wissend, daß sie falsch oder ver-
fälscht ist, zum Zwecke einer Täuschung Gebrauch macht.
§. 271. Wer vorsätzlich bewirkt, daß Erklärungen, Verhandlungen oder
Thatsachen, welche für Rechte oder Rechtsverhältuisse von Erheblichkeit sind,
in öffentlichen Urkunden 1), Büchern oder Registern als abgegeben oder geschehen
beurkundet werden, während sie überhaupt nicht oder in anderer Weise oder
von einer Person in einer ihr nicht zustehenden Eigenschaft oder von einer
anderen Person abgegeben oder geschehen sind, wird mit Gefängniß bis zu
sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu dreihundert Mark bestraft.
§. 272. Wer die vorbezeichnete Handlung in der Absicht begeht, sich oder
einem Anderen einen Vermögensvortheil zu verschaffen oder einem Anderen Schaden
zuzufügen, wird mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren bestraft, neben welchem auf
Geldstrafe von einhundertfünfzig bis zu sechstausend Mark erkannt werden kann.
Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängnißstrafe ein, neben
welcher auf Geldstrafe bis zu dreitausend Mark erkannt werden kann.
§. 273. Wer wissentlich von einer falschen Beurkundung der im §F. 271
bezeichneten Art zum Zwecke einer Täuschung Gebrauch macht, wird nach Vor-
schrift jenes Paragraphen, und, wenn die Absicht dahin gerichtet war, sich oder
einem Anderen einen Vermögensvortheil zu verschaffen oder einem Anderen
Schaden zuzufügen, nach Vorschrift des §. 272 bestraft.
§. 274. Mit Gefängniß, neben welchem auf Geldstrafe bis zu dreitausend
Mark erkannt werden kann, wird bestraft, wer
1. eine Urkunde, welche ihm entweder überhaupt nicht oder nicht aus-
schließlich gehört, in der Absicht, einem Anderen Nachtheile zuzufügen,
vernichtet, beschädigt oder unterdrückt, oder
2. einen Grenzstein oder ein anderes zur Bezeichnung einer Grenze oder
1) Wird in Folge wissentlich falscher Angaben über Namen oder Fa-
milienstand in einer polizeilichen Anmeldung eine diesbezügliche falsche Eintragung
im Einwohnermelderegister bewirkt, so ist darin der Thatbestand einer intellek-
tuellen Urkundenfälschung im Sinne des §. 271 Str. G. B. nicht zu finden, weil das
Melderegister zwar ein öffentliches Register insofern ist, als jeder dasselbe zur Ein-
ziehung von Insformation benutzen kann, aber kein solches ist, welches öffentlichen
Glauben besitzt und zur Bekundung von Erklärungen, Verhandlungen oder That-
sachen, welche für Rechte oder Rechtsverhältnisse von Erheblichkeit sind, dient, Erk.
R. G. 2. Juni 1885 (E. Crim. Xll. 228).
Der §. 271 findet auf denjeuigen nicht Anwendung, welcher sich ein Abzugs-
attest oder ein Gesindedienstbuch von der Polizeibehörde vorsätzlich auf den Namen
eines Anderen auestellen läßt, Erk. 20. April 1886 (E. Crim. XIV. 99).
Bei einem Sterberegister gehört der Familienstand des Anzeigenden nicht zu den
durch die Urkunde zu erweisenden Thatsachen und die falsche Angabe des Familien-
standes fällt also in diesem Falle nicht unter die Strafbestimmung des §. 271 Str.
G. B., Erk. 21. Mai 1887 (E. Crim. XVI. 77).