Full text: Handbuch für Preußische Verwaltungsbeamte. Erster Band. (1)

654 Abschnitt 1X. Strafgesetzbuch. Uebertretungen. 
prädikate 1) annimmt, ingleichen wer sich eines ihm nicht zukommenden 
Namens) einem zuständigen Beamten gegenüber bedient; 
9. wer gesetzlichen Bestimmungen zuwider ohne Genehmigung der Staats- 
behörde Aussteuer-, Sterbe= oder Wittwenkassen 2), Versicherungsanstalten 
  
1) Hiernach kann der Strafrichter darüber befinden, ob die Annahme eines Adels- 
prädikates unbefugt ist. Dagegen ist der Rechtsweg über die Befugniß zur Führung 
des Adelsprädikates unzulässig. Das Recht, den Adel zu verleihen, anzuerkennen oder 
zu erneuern ist ein Staatshoheitsrecht (A. L. R. II. 9 §§. 9 ff., Pr. Verf. Urk. 
Art. 50). Die Frage, ob Jemand zum Adel gehört, unterliegt daher der Beur- 
theilung der für die Bearbeitung der Standessachen zuständigen Administrativbehörden 
und der Entscheidung des Königs. Dagegen ist der Rechtsweg zulässig, wenn unter 
den Mitgliedern einer adligen Familie Streit darüber entsteht, ob Jemand Mitglied 
dieser Familie ist, Erk. des Komp. G. H. 16. Febr. 1895 (Zeitschr. für Pol. und 
Verw. Beamte 1896 S. 168). . 
2:) Die Regierungen sind autorisirt, die Erlaubniß zur Aenderung von 
Familien= oder Geschlechtsnamen zu ertheilen, wenn hinreichende Gründe für 
den betreffenden Antrag sprechen. Es ist bei Ertheilung der Erlanbniß darauf zu 
sehen, daß Verdunkelungen von Familiennamen vermieden werden und ist daneben auf 
das Privatinteresse der betheiligten Familie Rücksicht zu nehmen, weshalb, wo ein 
solches ersichtlich ist, die nächsten Angehörigen des Antragstellers zu hören sind. Bei 
Minorennen ist die Erklärung der Vormundschaftsbehörde einzuholen. Wird die An- 
nahme des Namens einer bestimmten Familie beabsichtigt, so find deren nächste 
männliche Mitglieder mit ihren etwaigen Einwendungen zu hören. Zur Annahme 
eines adligen Namens oder adliger Prädikate bedarf es der Allerhöchsten Geneh-- 
migung; ministerielle Kognition ist in geeigneten Fällen erforderlich, so z. B. wenn 
ein im Ehebruch erzeugtes Kind den Familiennamen des unehelichen Vaters erhalten 
soll, K. O. 12. Juli und Res. 9. Aug. 1867 (M. Bl. S. 246). Vor Ertheilung 
der Erlaubniß, das Prädikat „Frau“ anzunehmen, ist die Allerhöchste Entscheidung 
einzuholen — es ist dies nur ausnahmsweise und ans besonders gewichtigen Gründen 
zulässig, Res. 21. Juli 1869 (M. Bl. S. 149). Es empfiehlt sich der Regel nach 
nicht, die Annahme von Doppelnamen (N. N. genannt N. JN.) zu gestatten, Res. 
6. Aug. 1869 (M. Bl. S. 233). Bei Anmaßung des Adels soll vor der Straf. 
verfolgung zunächst eine Verwarnung statifinden, Opp. Anm. 53 zu §. 360. 
!) Die landesherrliche Genehmigung, welche nach 8. 651 I. 11 A. L. R. zur 
Errichtung gemeinschafllicher Wittwen-, Sterbe-= und Aussteuer-Kassen er- 
forderlich ist, ist von dem Oberpräsidenten zu ertheilen. Wenn sich jedoch der Wir- 
tungskreis einer solchen Kasse über die Grenzen des Oberpräsidial-Bezirkes hinaus 
erstreckt, oder wenn sich gewisse Klassen von Beamten dazu vereinigen, so hat der 
Minister des Innern, letzternfalls gemeinschaftlich mit dem vorgesetzten Minister der 
Beamten, die Genehmigung zu ertheilen. Unter den Sterbe-Kassen sind übrigens 
alle Kassen zu verstehen, aus welchen für den Sterbefall eines Mitgliedes der Ge- 
sellschaft eine Zahlung zu irgend einem Zwecke zu leisten ist, K. O. 29. Sept. 1833 
(G. S. S. 121). Normalstatut für Kranken= und Sterbe-Kassen, M. Bl. 1846 
S. 245. Die Genehmigung solcher auf Gegenseitigkeit beruhenden Versicherungs- 
vereine in der Provinz Hannover, deren Wirksamkeit sich nicht über den Bezirk der 
Provinz resp. eines Regierungs-Bezirkes hinaus erstrecken soll, ist dem Oberpräsidenten 
resp. dem betreffenden Regierungspräsidenten überlassen, Res. 20. Juni 1869 (I. A. 
5396 M. d. J.). Die gedachten Kassen erhalten durch die Oberpräsidial- Genehmigung 
die Rechte einer juristischen Person, Erk. 20. Okt. 1876 (M. Bl. S. 260). 
Ein Verein, zu dessen Zwecken die Unterstützung seiner Mitglieder im Falle des. 
Eintritts gewisser Ereignisse gehört, der aber seinen Mitgliedern einen Rechtsanspruch 
auf diese Unterstützung nicht gewährt, fällt nicht unter den Begriff einer Versicherungs- 
anstalt, Erk. 19. Nov. 1888 (E. O. V. XVII. 403). 
Der Umstand, daß die Ansprüche der Mitglieder der in 5. 360 Nr. 9 gedachten 
Gesellschaften und Anstalten statutengemäß nicht klagbar sein sollen und nur nach dem 
jeweiligen, vom Vorstande zu arbitrirenden Bestande der Kasse zu befriedigen sind, 
entkleidet die Anstalt nicht der Natur eines Versicherungsunternehmens, für das die 
Genehmigung der Staatsbehörden einzuholen ist, Res. 13. Dez. 1887 (M. d. J. 
II. 13657).
	        
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