Full text: Handbuch für Preußische Verwaltungsbeamte. Erster Band. (1)

658 Abschnitt IX. Strafgesetzbuch. Uebertretungen. 
der Gesundheit, der öffentlichen Ordnung und des öffentlichen Anstandes 
erlassenen polizeilichen Vorschriften zuwiderhandelt, oder welche, ohne 
einer solchen Aufsicht unterstellt zu sein, gewerbsmäßig Unzucht treibt; 
7. wer, wenn er aus öffentlichen Armenmitteln eine Unterstützung empfängt, 
sich aus Arbeitsscheu weigert, die ihm von der Behörde angewiesene, seinen 
Kräften angemessene Arbeit 1) zu verrichten; 
8. wer nach Verlust seines bisherigen Unterkommens?) binnen der ihm 
von der zuständigen Behörde bestimmten Frist sich kein anderweitiges 
Unterkommen verschafft hat und auch nicht nachweisen kann, daß er 
solches der von ihm angewandten Bemühungen ungeachtet nicht ver- 
mocht habe; 
9. wer#) Kinder oder andere unter seiner Gewalt stehende Personen, welche 
seiner Aufsicht untergeben sind und zu seiner Hausgenossenschaft gehören, 
von der Begehung von Diebstählen, sowie von der Begehung strafbarer 
Verletzungen der Zoll= oder Steuergesetze, oder der Gesetze zum Schutze 
der Forsten, der Feldfrüchte, der Jagd oder der Fischerei abzuhalten 
unterläßt. Die Vorschriften dieser Gesetze über die Haftbarkeit") für die 
den Thäter treffenden Geldstrafen oder anderen Geldleistungen werden 
hierdurch nicht berührt. 
In den Fällen der Nr. 9 und 10 5) kann statt der Haft auf Geld- 
strafe bis zu einhundertund fünfzig Mark erkannt werden; 
wer, obschon er in der Lage ist, diejenigen, zu deren Ernährung er 
verpflichtet ist, zu unterhbalten, sich der Unterhaltspflicht trotz der 
Aufforderung der zuständigen Behörde derart entzieht, dass durch Ver- 
mittelung der Bebörde fremde Hilfe in Anspruch genommen werden 
muss 5). 
§. 362. Die nach Vorschrift des §. 361 Nr. 3 bis 8 Verurtheilten können 
zu Arbeiten, welche ihren Fähigkeiten und Verhältnissen angemessen sind, inner- 
halb und sofern sie von anderen freien Arbeitern getrennt gehalten werden, 
auch außerhalb der Strafanstalt angehalten werden. 
Bei der Verurtheilung zur Haft kann zugleich erkannt werden, daß die 
verurtheilte Person nach verbüßter Strafe der Landespolizeibehörde zu über- 
  
1) Ein Arbeitszwang im administrativen Wege findet gegen solche Personen, 
welche öffentliche Unterstützung empfangen und sich weigern, die ihnen von der Be- 
hörde angewiesene Arbeit zu verrichten, nicht statt, Erk. 4. Juli 1882 (E. Crim. 
VI. 432). 
2) * Ausdruck Unterkommen im Sinne des Strafgesetzbuches begreift nicht 
bloß die Beschaffung einer Wohnung, sondern zugleich die Erwerbung des erforder- 
lichen Unterhaltes, Erk. O. Trib. 21. Febr. 1873 (E. LXIX. 34), aber nur die 
Beschaffung des eigenen Unterkommens, nicht auch des Unterkommens derjenigen 
Personen, für deren Ernährung man zu sorgen hat, Erk. 29. März 1855 (E. XXX. 
333). Zu den zuständigen Behörden im Sinne des §. 361 Nr. 8 gehören nicht 
bloß die Orts-, sondern auch die diesen vorgesetzten höheren Polizeibehörden (Land- 
rath 2c.), Opp. Anm. 51 und 55 zu §. 361. Die Strafe tritt nicht ein, wenn der 
Angeschuldigte den Beweis führt, daß er nicht vermocht habe, sich an seinem Wohn- 
orte ein Unterkommen zu verschaffen, Erk. 3. Okt. 1855 (G. A. III. 835) und 
6. Juli 1863 (O. Trib. III. 549). 
*) Ein Vater, dessen unter seiner väterlichen Gewalt stehendes, seiner Aufsicht 
untergebenes und zu seiner Hausgenossenschaft gehöriges Kind einen Diebstahl verübr 
hat, unterliegt der Strafe des §. 361 Nr. 9 nur dann, wenn ihm ein Mangel an 
pflichtmäßiger Aufficht oder eine Vernachlässigung der Erziehungspflichten zur Last 
fällt. Es streitet gegen ihn nicht, bis zur Führung des Entlastungsbeweises, die Ver- 
muthung, daß er das Kind vom Diebstahl abzuhalten unterlassen habe, Erk. O. Trib. 
5. Juli 1878 (E. LXXXII. 304). 
4) Wegen der Haftbarkeit vergl. oben §. 56 Anm. 
5) Art. II. Ges. 12. März 1894 (R. G. Bl. S. 259), betr. Aeuderung des 
Ges. über den Unterstützungswohnsitz 2c.
	        
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