Full text: Handbuch für Preußische Verwaltungsbeamte. Erster Band. (1)

Abschnitt IX. Strafgesetzbuch. Polizei-Aufsicht. 679 
behörden über die Strafunterbrechung gutachtlich zu äußern, Res. 21 2 pril 1865 
(M. Bl. S. 107). 
Eine Beurlaubung von Sträflingen wegen Erkrankung ist im Verwal- 
tungswege nur zulässig, wenn es sich um eine vorübergehende (temporäre) Entlassung 
des betreffenden Gefangenen aus der Strafanstalt handelt, wogegen in solchen Fällen, 
in denen sich die Verwaltung eines wegen Krankheit seit längerer Zeit zur Arbeit 
unfähigen Strafgefangenen aus dem Grunde zu entledigen wünscht, weil der Krank- 
heitszustand desselben nach ärztlichem Gutachten zu einer Besserung keine Hoffnung 
mehr giebt und vielmehr also, ebensowohl der Anstaltsverwaltung wie dem Gefangenen, 
nur dadurch geholfen werden kann, daß der letztere für immer entlassen wird, die 
Ermächtigung zur Entlassung nur durch Vermittelung der Gerichtsbehörde im 
Wege der Begnadigung erfolgen kann. 
Anträge auf temporäre Entlassung können mit Rücksicht auf die meist sehr 
vollständig eingerichteten Anstaltslazarethe nur dann genehmigt werden, wenn nach 
der Natur der Krankheit, von welcher der Sträfling befallen ist, eine Aussicht auf 
Heilung oder Wiederherstellung nach ärztlichem Gutachten dadurch bedingt ist, daß der 
Erkrankte auf einige Zeit sich außerhalb der Anstalt ärztlich behandeln lassen kann. 
Aber auch in Fällen, wo der Gefangene an einer unheilbaren Krankheit leidet, dürfen 
dergleichen Anträge dann als zulässig erklärt werden, wenn die Krankheit des Ge- 
fangenen soweit vorgeschritten ist, daß nach ärztlicher Bescheinigung der Tod in naher 
Aussicht steht, gleichwohl aber durch Entlassung des Gefangenen aus der Anstalt das 
Leben desselben voraussichtlich noch einige Zeit zu verlängern sein dürfte. Es wird 
jedoch hierbei immer vorausgesetzt, daß in solchen Fällen die Angehörigen des Ge- 
fangenen bereit und im Stande sind, dem Gefangenen für den Rest seines Lebens 
die erforderliche Pflege zu Theil werden zu lassen, was daher in jedem einzelnen 
Falle besonders festzustellen resp. nachzuweisen ist; vergl. Res. 2. April 1865 (II. S. 
J. 656). 
Bei Beurlaubungsgesuchen von Strasfgefangenen bedarf es in keinem Falle der 
Entscheidung durch den Minister des Innern und der Justiz, sofern die Verwaltungs- 
und Gerichtsbehörden über die Nichtgenehmigung eines solchen Gesuches einverstanden 
sind, Res. 23. Dez. 1881. 
Es erscheint unzulässig, einen vorläufig aus der Haft entlassenen Gefangenen in 
das Ausland zu beurlauben, woselbst die vorgeschriebene polizeiliche Kontrolle nicht 
thunlich sein würde, Res. 17. Jan. 1872 (M. Bl. S. 58). 
Wegen geisteskranker Sträflinge vergl. Anm. zu §. 487 Str. P. O. 
  
Instruktion vom 12. April 1871 (M. Bl. S. 112) zur Ausführung der §§. 38 
und 39 des Strafgesetzbuchs, betr. die Stellung unter Polizei-Aufsicht. 
Zur Ausführung der 88. 38 und 39 des Strafgesetzbuchs für den Norddeutschen 
Bund vom 31. Mai 1870 wird in Betreff der Stellung unter Polizei-Aufsicht be- 
stimmt, was folgt: 
§. 1. Die gegenwärtige Instruktion findet bezüglich aller, nach dem 1. Januar 
1871 verurtheilten Personen, gegen welche auf Zulässigkeit von Polizei-Aufsicht erkannt 
worden ist, mit der Maßgabe Anwendung, daß in Betreff der nur vorläufig ent- 
lassenen Verurtheilten (§§. 23 und flg. des Strafgesetzbuches) die Vorschriften der all- 
gemeinen Verfügung vom 21. Jannuar 1871 in Kraft bleiben. 
§. 2. Die Stellung unter Polizei-Aufsicht soll nur stattfinden, wenn begründete 
Besorgniß besteht, daß der Verurtheilte die wieder erlangte Freiheit in gemeingefähr- 
licher Weise mißbrauchen werde. 
Neben dem der Verurtheilung zu Grunde liegenden Verbrechen und dem sonstigen 
bisherigen Verhalten des Verurtheilten ist dessen Führung während der Strafverbüßung 
in Betracht zu ziehen und auf die Verhältnisse Rücksicht zu nehmen, in welche der- 
selbe nach der Haftentlassung eintritt. 
Verurtheilte, welche, nach stattgefundener vorläufiger Hastentlassung, sich bis zum 
Ablaufe der in dem Erkenntnisse festgesetzten Strafzeit ordnungsmäßig geführt haben, 
sind der Polizei-Aussicht in der Regel nicht zu unterwerfen.
	        
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