Abschnitt X. Gerichtsverfassung. Schöffengerichte. 695
§. 49. Wird zu einzelnen Sitzungen die Zuziehung anderer als der zunächst
berusenen Schöffen erforderlich, so erfolgt dieselbe aus der Zahl der Hülfsschöffen nach
der Reihenfolge der Jahresliste.
Würde durch die Berufung der letzteren eine Vertagung der Verhandlung oder
eine erhebliche Verzögerung ihres Beginns nothwendig, so sind die nicht am Sitze
des Gerichts wohnenden Hülfsschöffen zu übergehen.
§. 50. Erstreckt sich die Dauer einer Sitzung über die Zeit hinaus, für welche
der Schöffe zunächst einberufen ist, so hat er bis zur Beendigung der Sitzung seine
Amtsthätigkeit fortzusetzen.
§. 51. Die Beeidigung der Schöffen erfolgt bei ihrer ersten Dienstleistung
in öffentlicher Sitzung. Sie gilt für die Dauer des Geschäftsjahrs.
Der Vorsitzende richtet an die zu Beeidigenden die Worte:
„Sie schwören bei Gott dem Elmiichtigen und Allwissenden die Pflichten
eines Schöffen getreulich zu erfüllen und Ihre Stimmen nach bestem
Wissen und Gewissen abzugeben“.
Die Schöffen leisten den Eid, indem Jeder einzeln die Worte spricht:
„ich schwöre es, so wahr mir Gott helfe“.
Der Schwörende soll bei der Eidesleistung die rechte Hand erheben.
Ist ein Schöffe Mitglied einer Religionsgesellschaft, welcher das Gesetz den Ge-
brauch gewisser Betheuerungsformeln an Stelle des Eides gestattet, so wird die Ab-
gabe einer Erklärung unter der Betheuerungsformel dieser Religionsgesellschaft der
Eidesleistung gleich geachtet 7.
Ueber die Beeidigung wird von dem Gerichtsschreiber ein Protokoll ausgenommen.
6. 52. Wenn die Unfähigkeit einer als Schöffe in die Jahresliste aufge-
nommenen Person eintritt oder bekannt wird, so ist der Name derselben von der
Liste zu streichen.
Ein Schöffe, hinsichtlich dessen nach seiner Aufnahme in die Jahresliste andere
Umstände eintreten oder bekannt werden, bei deren Vorhandensein eine Berufung zum
Schöffenamte nicht erfolgen soll, ist zur Dienstleistung ferner nicht heranzuziehen.
Die Entscheidung erfolgt durch den Amtsrichter nach Anhörung der Staats-
amwaltschaft und des betheiligten Schöffen.
Beschwerde findet nicht statt.
§5. 53. Ablehnungsgründe sind nur zu berücksichtigen, wenn sie innerhalb einer
Woche, nachdem der betheiligte Schöffe von seiner Einberufung in Keuntniß gesetzt
worden ist, von demselben geltend gemacht werden. Fällt ihre Entstehung oder Be-
sanmtwerdung in eine spätere Zeit, so ist die Frist erst von diesem Zeitpunkte zu
berechnen.
Der Amtssrichter entscheidet über das Gesuch nach Anhörung der Staatsanwalt-
schaft. Beschwerde findet nicht statt.
§. 54. Der Amtsrichter kann einen Schöffen auf dessen Antrag wegen ein-
getretener Hinderungegründe von der Dienstleistung an bestimmten Sitzungstagen
entbinden.
Die Entbindung des Schöffen von der Dienstleistung kann davon abhängig ge-
macht werden, daß ein anderer für das Dienstjahr bestimmter Schöffe für ihn eintritt.
Der Antrag und die Bewilligung sind aktenkundig zu machen.
§. 55. Die Schöffen und die Vertrauensmänner des Ausschusses erhalten Ver-
gütung der Reisekosten?).
1) Wegen der Mennoniten vergl. Vd. 11. März 1827 (G. S. S. 28), wegen
der Philipponen K. O. 19. Nov. 1836 (v. K. Jahrb. XLIX. 175).
:) Den Vertrauensmännern und den Schöffen werden, sofern sie außer-
halb ihres Aufenthaltsortes einen Weg bis zur Entfernung von mehr als zwei Kilo-
metern zurückzulegen haben, an Reisekosten gewährt:
1. bei Reisen, welche auf Eisenbahnen oder Dampfschiffen gemacht werden können,
ü jedes angefangene Kilometer des Hinweges und des Rückweges zehn
fennige;
2. bei Reisen, welche nicht auf Eisenbahnen oder Dampfschiffen zurückgelegt
werden können, für jedes angefangene Kilometer des Hinweges und des Rück-
weges zwanzig Pfennige;
im Ganzen jedoch wenigstens drei Mark.