738 Abschnitt X. Strafprozeß. Privatklage.
8. 402. Die Wiederaufnahme eines durch rechtskräftiges Urtheil geschlossenen
Verfahrens zu Ungunsten des Angeklagten findet statt:
1. wenn eine in der Hauptverhandlung zu seinen Gunsten als echt vorgebrachte
Urkunde fälschlich angefertigt oder verfälscht war;
2. wenn durch Beeidigung eines zu seinen Gunsten abgelegten Zeugnisses oder
abgegebenen Gutachtens der Zeuge oder Sachpverständige sich einer vorsätzlichen
oder fahrlässigen Verletzung der Eidespflicht schuldig gemacht hat;
3. wenn bei dem Urtheile ein Richter, Geschworener oder Schöffe mitgewirkt hat,
welcher sich in Beziehung auf die Sache einer Verletzung seiner Amtepflichten
schuldig gemacht hat, sofern die Verletzung mit einer im Wege des gerichtlichen
Strafverfahrens zu verhängenden öffentlichen Strafe bedroht ist;
4. wenn von dem Freigesprochenen vor Gericht oder außergerichtlich ein glaub-
würdiges Geständniß der strafbaren Handlung abgelegt wird.
Fünftes Buch. Betheiligung des Verletzten bei dem Verfahren.
Erster Abschnitt. Privatklage.
§. 414. Beleidigungen ) und Körperverletzungen können, soweit
die Verfolgung nur auf Antrag eintritt, von dem Verletzten im Wege der Privat-
Hagerberlint werden, ohne daß es einer vorgängigen Anrufung der Staatsanwalt-
aft bedarf.
Die gleiche Befugniß steht denjenigen zu, welchen in den Strafgesetzen das Recht
selbständig auf Bestrafung anzutragen, beigelegt ist.
Hat der Verletzte einen gesetzlichen Vertreter, so wird die Befugniß zur Erhebung
der Privatklage durch diesen und, wenn Korporationen, Gesellschaften und andere
Personenvereine, welche als solche in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten klagen können,
die Verletzten sind, durch dieselben Personen wahrgenommen, durch welche sie in
bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten vertreten werden.
s. 415. Sind wegen derselben strasbaren Handlung mehrere Personen zur
So berechtigt, so ist bei Ausübung dieses Rechts ein Jeder von dem Andern
unabhängig.
Hat jedoch einer der Berechtigten die Privatklage erhoben, so steht den übrigen
nur der Beitritt zu dem eingeleiteten Verfahren, und zwar in der Lage zu, in welcher
sich dasselbe zur Zeit der Beitrittserklärung befindet ?).
Jede in der Sache selbst ergangene Entscheidung äußert zu Gunsten des Be-
schuldigten ihre Wirkung auch gegenüber solchen Berechtigten, welche die Privatklage
nicht erhoben haben.
§. 416. Die öffentliche Klage wird wegen der im §. 414 bezeichneten strafbaren
Handlungen von der Staatsanwaltschaft nur dann erhoben, wenn dies im öffentlichen
Interesse liegt.
§. 417. In dem Verfahren auf erhobene Privatklage ist die Staatsanwaltschaft
zu einer Mitwirkung nicht verpflichtet; es ist ihr jedoch der zur Hauptverhandlung
bestimmte Termin bekannt zu machen.
Auch kann die Staatsanwaltschaft in jeder Lage der Sache bis zum Eintritt der
Rechtskraft des Urtheils durch eine ausdrückliche Erklärung die Verfolgung üÜber-
neiien. In der Einlegung eines Rechtsmittels ist die Uebernahme der Verfolgung
enthalten.
Uebernimmt die Staatsanwaltschaft die Verfolgung, so richtet sich das weitere
Verfahren nach den Bestimmungen, welche im zweiten Abschnitte dieses Buches für
den Anschluß des Verletzten als Nebenkläger gegeben sind.
§. 418. Der Privatkläger kann im Beistande eines Rechtsanwaltes erscheinen
oder sich durch einen mit schriftlicher Vollmacht versehenen Rechtsanwalt vertreten
lassen. Im letzteren Falle können die Zustellungen an den Privatkläger mit rechtlicher
Wirkung an den Anwalt erfolgen.
1) Vergl. §. 27 Nr. 3 Ger. Verf. Ges.
2) Vorausgesetzt, daß die Frist ihrer Antragsberechtigung (Ss. 61, 62 R. Sir.
G. B.) noch nicht abgelaufen ist.