Abschnitt XI. Gesinde-Dienstbücher. 755
Berordnung vom 29. September 1846 1) wegen Einführung von Gesinde-
dienstbüchern (G. S. S. 467).
§. 1. Jeder Dienstbote, welcher nach Publikation dieser Verordnung in Gesinde-
dienste tritt oder die Dienstherrschaft wechselt, ist verpflichtet, sich mit einem Gesinde-
buche zu versehen.
§. 2. Aufgehoben durch Ges. 21. Febr. 1872 (G. S. S. 160).
§. 3. Vor Antritt des Dienstes hat der Dienstbote das Gesindebuch der Polizei-
behörde des Aufenthaltsorts zur Ausfertigung vorzulegen?). An solchen Orten, wo
keine Polizeibehörde ihren Sitz hat, kann die Ausfertigung der Gesindedienstbücher
den Dorfgerichten (in den westlichen Provinzen den Gemeindevorstehern) durch den
Landrath übertragen werden, welcher auch befugt ist, diese Ermächtigung zurückzu-
nehmen.
#. 4. Beim Diensteintritt ist das Gesindehuch der Dienstherrschaft zur Einsicht
vorzulegen. Sollte das Gesinde die Vorlegung des Gesindebuchs verweigern, so steht
es bei der Dienstherrschaft 3), entweder dasselbe seines Dienstes zu entlassen, oder die
Weigerung der Polizeibehörde anzuzeigen, welche alsdann gegen das Gesinde eine
Ordnungsstrafe"!) bis zu 2 Thlr. oder verhältnißmäßige /[Gefängniß-] Haft-Strafe
festzusetzen hat.
#§. 5. Bei Entlafsung des Gesindes ist von der Dienstherrschaft ein vollständiges
Zeugniß 5„) über die Führung und das Benehmen desselben in das Gefindebuch ein-
zutragen. Schreibensunkundige haben mit dieser Eintragung eine glaubhafte Person
zu beauftragen, welche diesen Auftrag mit ihrer Namensunterschrift bescheinigen muß.
Weigert sich eine Dienstherrschaft, dieser Verpflichtung zu genügen, so ist sie dazu von
der Polizeibehörde durch eine ihr vorher anzudrohende Geldstrafe von 1 bis 5 Thlr.
anzuhalten.
§. 6. Wird ein Dienstbote wegen eines Verbrechens bestraft, so har die Unter-
suchungsbehörde das Gesindebuch von demselben einzufordern und darin die erfolgte
Bestrafung aktenmäßig einzutragen.
1) Die Vd. 29. Sept. 1846 findet nur auf gemeines Gesinde Anwendung, nicht
aber auf Hausoffizianten, denen Oekonomie-Inspektoren und Wirthschafterinnen (letztere
wenigstens der Regel nach) beizuzählen sind, Res. 5. Juni 1847 (M. Bl. S. 165).
Die Regierungspräsidenten sind befugt, die unterlassene Anschaffung und Vorlegung
der Dienstbücher gegen das Gesinde durch Polizei-Verordnungen mit Strafe zu be-
drohen, Res. 5. Jan. 1854 (M. Bl. S. 13).
Für Hannover: Ges. 16. Febr. 1853 (Hann. G. S. III. 9); Ausschr. 9. Okt.
1834 (das. II. 13) und 13. Juli 1856 (das. 1I. 755).
2) Nach §. 3 ist nur vorgeschrieben, daß ein jedes neue Gesindedienstbuch der
Polizeibehörde zur Konstatirung der Person-Identität des Inhabers mittels Ausfüllung
des vorgedruckten Nationals vorgelegt werde. Die Vorlegung des Dienstbuches bei
jedem neuen Antritt eines Dienstes ist nicht vorgeschrieben und hat sich demgemäß
die Polizeibehörde bei eintretendem Dienstwechsel auf Beglaubigung der Unterschrift
der Dienstherrschaft, da wo dies herkömmlich ist, zu beschränken, Res. 30. Juli
1847 (M. Bl. S. 198).
Durch die Ausfertigung giebt die Polizeibehörde eine Beurkundung über die
Identität der Person nicht ab. Läßt sich daher jemand ein Gesindedienstbuch unter
falschem Namen ausstellen, so ist er nicht aus §. 171, sondern aus §. 363 R. Str.
G. B. zu bestrafen, E. Crim. XIV. 101. Dasselbe gilt hinsichtlich der Fälschung
von Dienstbüchern.
3) D. i. der Ehemann, auch wenn die Ehefrau das Gesinde angenommen hat,
E. K. XI. 258.
4) Die Festsetzung dieser Ordnungsstrafe steht nach der Ansicht von Koch (A. L.
R. Anm. 98 Th. II. Tit. 5) noch jetzt der Polizeibehörde zu, weil nur die Polizei-
Uebertretungen vor dem Polizeirichter ressortiren.
3) Gegen Gefinde, welches sich weigert, das Dienstbuch zur Eintragung des Dienst-
Attestes vorzulegen, kann nöthigenfalls in der Art eingeschritten werden, daß die Be-
hörde ihm das Dienstbuch zur Vorlegung an die Herrschaft Behufs Eintragung des
Entlassungs-Zeugnisses abnimmt, Res. 30. April 1847 (M. Bl. S. 121).
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