Full text: Handbuch für Preußische Verwaltungsbeamte. Erster Band. (1)

760 Abschnitt XI. Altpreußische Gesinde-Ordnung. 
Wer Gesinde miethen kann. 
§. 2. In der ehelichen Gesellschaft kommt es dem Manne zu, das nöthige 
Gesinde zum Gebrauch der Familie zu miethen ½. 
§. 3. Weibliche Dienstboten kann die Frau annehmen), ohne daß es dazu 
der ausdrücklichen Einwilligung des Mannes bedarf. 
§. 4. Doch kann der Mann, wenn ihm das angenommene Gesinde nicht 
anständig ist, dessen Wegschaffung nach verflossener gesetzmäßiger Dienstzeit, 
ohne Rücksicht auf die vertragsmäßig bestimmte, nach vorgängiger Aufkündigung 
verfügen. 
Wer als Gesinde sich vermiethen kann. 
§. 5. Wer sich als Gesinde vermiethen will, muß über seine Person frei 
zu schalten berechtigt sein. 
§. 6. Kinder, die unter väterlicher Gewalt stehen, dürfen ohne Ein- 
willigung des Vaters, und Minderjährige ohne Genehmigung ihres Vormundes 
sich nicht vermiethen 3. 
§. 7. Verheirathete Frauen dürfen nur mit Einwilligung ihrer Männer 
als Ammen oder sonst in Dienste gehen. 
§. 8. Nur wenn die Einwilligung in den Fällen der §§. 6 und 7 auf 
eine gewisse Zeit, oder zu einer bestimmten Dienstherrschaft, ausdrücklich einge- 
schränkt worden"), ist die Erneuerung derselben zur Verlängerung der Zeit, oder 
bei einer Veränderung der Herrschaft erforderlich. 
§. 9. Dienstboten, welche schon vermiethet gewesen, müssen bei dem An- 
nin änes, neuen Dienstes die rechtmäßige Verlassung der vorigen Herrschaft 
nachweisen?). 
) Der Mann kann die Annahme auch Anderen übertragen, wozu schriflliche 
Form nöthig ist. Anderen Falles kommen die 55. 7— 10 A. L. ¾- I. 13 zur 
Anwendung. 
2) Ihnen auch kündigen, Posseldt-Lindenberg S. 15. 
:) Widerspricht ein Kind, so entscheidet gemäß §. 112 II. 2 A. L. R. nach Be- 
stellung eines Pflegers der Vormundschaftsrichter. Dieser entscheidet auch bei einem 
Streit zwischen Vormund und Mündeln nach Anhörung des Waisenraths. Bei 
Dienstboten bis zum vollendeten 15. Lebensjahre muß ein Schulentlafsungs- Zeugniß 
beigebracht werden, Res. 6. Dez. 1839. Bei Kindern unter 14 Jahren ist eigent- 
licher Gesindedienst nicht anzunehmen, Res. 20. März 1826 (A. X. 116); die Herr- 
schaft solcher Kinder ist verpflichtet, für Schul- und Konfirmanden-Unterricht zu sorgen 
Res. 30. Sept. 1837 (A. XXI. 682). « 
Die Einwilligung kann, abgesehen von 8. 8, auch durch konkludente Handlungen 
erfolgen, E. K. XII. 211. Schließen der Vater oder Vormund selbst den Dienst- 
vertrag ab, so geben sie dadurch unzweideutig ihr Einverständniß zu erkennen, E. 
O. V. XXI. 420. Die widerrechtliche Anfertigung einer Einwilligungserklärung wird 
als Urkundenfälschung bestraft, E. Crim. XXlI. 58. 
4) Vergl. §. 6 Ges. 17. Juli 1875 (G. S. S. 518), betr. die Geschäfts- 
fähigkeit der Minderjährigen und E. O. V. XXI. 419. 
5) Zu diesem Behuf bedarf es nicht unbedingt eines schriftlichen Abschieds- 
zeugnisses nach §. 171 der vorigen Herrschaft; nach der Fassung des 5. 9 muß viel- 
mehr den Dienstboten die Art des Nachweises der rechtmäßigen Dienstverlassung 
überlassen und der neuen Herrschaft anheimgestellt bleiben, ob sie den gewählten 
Nachweis (welcher auch durch mündliche Erklärung der vorigen Herrschaft geführt 
werden kann), zu ihrer Sicherheit für genügend oder einen schriftlichen Entlassungs- 
schein für erforderlich hält, Res. 2. Sept. 1840 (M. Bl. S. 363). 
Nur beim Antritt des Dienstes muß die neue Herrschaft sich den Entlassungs- 
schein vorlegen lassen, wenn sie nicht in die im §. 12 angedrohte Strafe verfallen 
will. Die Abschließung des Miethsvertrages ohne Abforderung eines Aufkündigungs- 
oder Losscheines ist nicht strafbar; die Folge ist nur Ungültigkeit des Vertrages, wenn 
der Dienstbote den alten Dienst nicht zu verlassen berechtigt war, Res. 10. Febr. 1826 
(A. X. 115), 5. März 1837 (A. XXI. 163), 14. Mai 1838 (A. XXII. 400) und 
10. Mai 1875 (M. Bl. S. 162). Wenn die neue Herrschaft sicher gehen will, so
	        
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