Full text: Handbuch für Preußische Verwaltungsbeamte. Erster Band. (1)

Abschnitt XI. Altpreußische Gesinde-Ordnung. 765 
miethen, so muß das Gesinde nicht allein den Schaden, welcher der Herrschaft 
hierdurch erwächst, ersetzen und das Miethsgeld zurückgeben, sondern es verfällt 
noch überdies in eine Strafe, die, nach Maßgabe der Verschuldung, auf zwei 
bis zehn Thlr., oder bei Unvermögenden auf verhältnißmäßigess Gefängniß!) 
Haft festzusetzen ist. 
§. 52. Kann jedoch das Gesinde nachweisen, daß die Herrschaft im letzt- 
verflossenen Dienstjahre sich solche Handlungen habe zu Schulden kommen lassen, 
wodurch es nach §§. 136—140 zur Verlassung des Dienstes ohne Aufkündigung 
berechtigt werden würde, so kann dasselbe zum Antritt des Dienstes nicht ge- 
zwungen werden, sondern ist nur gehalten, das Miethsgeld zurückzuzahlen. 
§. 53. Wird das Gesinde durch Zufall, ohne seine Schuld, den Dienst 
anzutreten verhindert, so muß die Herrschaft mit Zurückgabe des Miethsgeldes 
sich begnügen. 
§. 54. Erhält weibliches Gesinde vor dem Antritte der Dienstzeit Gelegen- 
heit zu heirathen, so steht demselben frei, eine andere taugliche Person zur 
Versehung des Dienstes an seiner Statt zu stellen. „ 
§. 55. Ist es dazu nicht im Stande, so muß auch dergl. Gesinde den 
Dienst in Städten auf ein Viertel= und bei Landwirthschaften auf ein halbes 
Jahr antreten . 
Pflichten des Gesindes in seinen Diensten. 
§. 56. Nur zu erlaubten Geschäften können Dienstboten gemiethet werden. 
§. 57. Gemeines Gesinde, welches nicht ausschließlich zu Vewissen be- 
stimmten Geschäften gemiethet worden, muß sich allen häuslichen Verrichtungen 
nach dem Willen der Herrschaft unterziehen?). 
§. 58. Allen zur herrschaftlichen Familie gehörenden, oder darin in be- 
stimmten Verhältnissen, oder bloß gastweise aufgenommenen Personen ist es 
diese Dienste zu leisten schuldig. 
§. 59. Dem Haupte der Familie kommt es zu, die Art und Ordnung 
zu bestimmen, in welcher die zur Familie gehörigen, oder nach §. 58 in ihr 
Aufgenommenen, diese Dienste gebrauchen sollen. 
§. 60. Auch Gesinde, welches zu gewissen Arbeiten oder Diensten ange- 
nommen ist, muß dennoch auf Verlangen der Herrschaft andere häusliche Ver- 
richtungen mit übernehmen, wenn das dazu bestimmte Neben-Gesinde durch 
Krankheit, oder sonst, auf eine Zeit lang daran verhindert wird. 
§. 61. Wenn unter den Dienstboten Streit entsteht, welcher von ihnen 
diese oder jene Arbeit nach seiner Bestimmung zu verrichten schuldig sei, so 
entscheidet allein der Wille der Herrschaft. „ 
§. 62. Das Gesinde ist ohne Erlaubniß der Herrschaft nicht berechtigt, 
sich in den ihm aufgetragenen Geschäften von andern vertreten zu lassen. 
§. 63. Hat das Gesinde der Herrschaft eine untaugliche, oder verdächtige 
Person zu seiner Vertretung wissentlich vorgeschlagen, so muß es für den durch 
selbige verursachten Schaden haften. 
§. 64. Das Gesinde ist schuldig, seine Dienste treu, fleißig und aufmerksam 
zu verrichten. 
§. 65. Fügt es der Herrschaft vorsätzlich, oder aus grobem oder mäßigem 
Versehen Schaden zu, so muß es denselben ersetzen 5). 
§. 66. Wegen geringer Versehen ist ein Dienstbote nur alsdann zum 
Schadenersatze verpflichtet, wenn er wieder den ausdrücklichen Befehl der Herr- 
schaft gehandelt hat“). 
§. 67. Desgleichen, wenn er sich zu solchen Arten der Geschäfte hat an- 
nehmen lassen, die einen vorzüglichen Grad von Aufmerksamkeit oder Geschick- 
lichkeit voraussetzen. 
1) Die hier gemachte Unterscheidung hat sich auf städtisches und ländliches Ge- 
finde zu beziehen. vergl. Anm. 3 zu S. 41. 
:) Ein besonderer Lohn steht dem Dienstboten selbst dann nicht zu, wenn er, 
z. B. bei Krankheiten, außergewöhnliche Dienste leisten muß. 
2) Vergl. A. L. R. I. 3 68. 18, 20. 
!) Vergl. A. L. R. I. 3 §. 22.
	        
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