770 Abschnitt XI. Altpreußische Gesinde-Ordnung.
1 103. Sind Dienstboten zur besonderen Bedienung einzelner Mitglieder
der Familie angenommen, so können bei dem Absterben derselben die Bestim-
mungen der vorstehenden Paragraphen auch auf sie angewendet werden.
§. 104. Männliche Dienstboten behalten die ganze gewöhnliche Livree,
weim sie der verstorbenen Herrschaft schon ein halbes Jahr oder länger gedient
aben.
§. 105. Sind sie noch nicht so lange in ihren Diensten gewesen, so müssen
sie Rock, Weste und Hut zurücklassen. Z„
§. 106. War der Bediente nur monateweise gemiethet, so erhält er Lohn
und Kostgeld, wenn die Herrschaft vor dem fünfzehnten Monatstage stirbt, nur
auf den laufenden, sonst aber auch auf den folgenden Monat.
S. 107, 108)0.
§. 109. Wegen des alsdann rückständigen Gesindelohns bleibt es bei den
Vorschriften?:) der Konkurs-Ordnung.
Nach vorhergegangener Aufkündigung.
§. 110. Außer diesen Fällen kann der Miethsvertrag während der Dienst-
zeit einseitig nicht aufgehoben werden.
§. 111230. Welcher Theil denselben nach Ablauf der Dienstzeit nicht fort-
setzen will, muß innerhalb der gehörigen Frist aufkündigen.
§. 112. Die Aufkündigungsfrist wird bei städtischem Gesinde auf
sechs Wochen und bei Landgesinde auf drei Monate vor dem Ablaufe der Dienst-
zeit angenommen, in sofern ein Anderes bei der Vermiethung nicht ausdrücklich
verabredet ist. — — — „
§. 113. Bei monatweise gemietheten Dienstboten findet die Aufkündigung
noch am Fünfzehnten eines jeden Monats statt.
S. 114. Fst keine Aufkündigung erfolgt, so wird der Vertrag, als still-
schweigend verlängert, angesehen.
§. 115. Bei städtischem Gesinde wird die Verlängerung auf ein Viertel-
und bei Landgesinde auf ein ganzes Jahr gerechnet.
§. 116. Bei monatweise gemiethetem Gesinde versteht sich die Verlängerung
immer nur auf einen Monat.
Ohne Aufkündigung von Seiten der Herrschaft.
tas 50 17. Ohne Aufkündigung kann die Herrschaft ein Gesinde sofort ent-
assen"):
Zu Anmerkung 6 auf S. 769.
nächsten, gesetzlichen Abzugstermin in den Dienst des Nachfolgers überzugehen. Ist
der Nachfolger aber auch nur successor specialis z. B. Käufer, so muß das Dienst-
verhältniß des Gesindes zur Herrschaft fortgesetzt werden. Vergl. Koch, A. L R.
Anm. 60 zu §. 102 Ges. O. Anderer Meinung: Res. 16. Juni 1826 (A. X.
391—393), Erk. O. Trib. 1. Juli 1852 (Strieth. Arch. VI. 215).
1) Jetzt Konk. O. 10. Febr. 1877 §. 19: Ein in dem Haushalte, Wirth-
schaftsbetriebe oder Erwerbsgeschäfte des Gemeinschuldners angetretenes Dienstverhältniß
kann von jedem Theile aufgekündigt werden. Die Frist und Zeit für die Kündigung
ist, falls eine kürzere Frist oder nähere Zeit nicht bedungen war, die gesetzliche oder
ortsübliche und in Ermangelung einer solchen von dem Konkursgerichte auf Antrag
des Kündigenden festzusetzen.
2) Jetzt §. 54 Nr. 1 Konk. O. und §. 26 Ges. 1. Juli 1883 (G. S. S. 131),
betr. Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen.
s) Ein auf bestimmte Zeit abgeschlossener Gesindevertrag gilt als stillschweigend
verlängert, wenn nicht vorher gekündigt ist, Erk. O. Trib. 18. Okt. 1847 (E. XV.
61); 4. Okt. 1876 (E. LXXVIII. 175). Der Wille, zu kündigen, kann auch aus
Handlungen hervorgehen, Erk. 29. Okt. 1887 (E. O. B. XV. 438).
) Die Herrschaft, die einen Dienstboten vor der Zeit entläßt und von ihm auf
Entschädigung verklagt wird, kann im Prozesse gesetzmäßige Entlassungsgründe geltend
machen, auch wenn sie diese dem Dienstboten gegenüber früher nicht angeführt hat,