Full text: Handbuch für Preußische Verwaltungsbeamte. Erster Band. (1)

Abschnitt XI. Altpreußische Gesinde-Ordnung. 773 
Von Seiten des Gesindes. 
§. 145. Dienstboten können vor Ablauf der Dienstzeit, jedoch nach vorher- 
gegangener Aufkündigung den Dienst verlassen: 
1. Wenn die Herrschaft den bedungenen Lohn in den festgesetzten Terminen 
nicht richtig bezahlt. Z 
§. 146. 2. Wenn die Herrschaft das Gefinde einer öffentlichen Beschimpfung 
eigenmächtig aussetzt. 
§. 147. 3. Wenn der Dienstbote durch Heirath oder auf andere Art zur 
Anstellung einer eigenen Wirthschaft vortheilhafte Gelegenheit erhält, die er 
durch Ausdauerung der Miethszeit versäumen müßte. 
§. 148. In allen Fällen, wo der Miethsvertrag innerhalb der Dienstzeit, 
jedoch nur nach vorhergegangener Aufkündigung, aufgehoben werden kann, muß 
dennoch das laufende Vierteljahr und bei monatweise gemiethetem Gesinde der 
laufende Monat ausgehalten werden. 
§. 149. Wenn die Eltern der Dienstboten, wegen einer erst nach der 
Vermiethung vorgefallenen Veränderung ihrer Umstände ihn in ihrer Wirthschaft 
nicht entbehren können, oder der Dienstbote in eignen Angelegenheiten eine weite 
Reise zu unternehmen genöthigt wird, so kann er zwar ebenfalls seine Entlassung 
fordern, er muß aber alsdann einen anderen tauglichen Dienstboten statt seiner 
stellen, und sich mit demselben wegen Lohn, Kost und Livree ohne Schaden der 
Herrschaft abfinden. 
Was alsdann wegen Lohn, Kost und Livree Rechtens ist. 
§. 150. In allen Fällen, wo die Herrschaft einen Dienstboten während 
der Dienstzeit mit oder ohne Aufkündigung zu entlassen berechtigt ist (6§. 117 
bis 135, 143, 144), kann der Dienstbote Lohn und Kost oder Kostgeld nur 
nach Verhältniß der Zeit fordern, wo er wirklich gedient hat. 
151. Ein gleiches gilt von denjenigen Fällen, wo der Dienstbote zwar 
vor Ablauf der Dienstzeit, aber doch nach vorhergängiger Aufkündigung den 
Dienst verlassen kann (§§. 145, 146, 147). 
152. In Fällen, wo der Dienstbote sofort und ohne Aufkündigung 
den Dienst zu verlassen berechtigt ist (§§. 136 —142), muß ihm Lohn und Kost 
auf das laufende Vierteljahr und, wenn er monatweise gemiethet worden, auf 
den laufenden Monat vergütet werden. 
§. 153. Hat die Ursache zum gesetzmäßigen Austritte erst nach Ablauf 
der Aufkündigungsfrist sich ereignet, so muß die Herrschaft diese Vergütung 
auch für das folgende Vierteljahr oder für den folgenden Monat leisten. 
§. 154. In der Regel behält der Dienstbote die als einen Theil des 
Lohns anzusehende Livree vollständig, wenn er aus den (8§. 136—142) be- 
stimmten Ursachen den Dienst verläßt. 
§. 155. Geschieht der Austritt nur aus den §§. 143 und 144 enthaltenen 
Gründen, und hat der Bediente noch kein halbes Jahr gedient, so muß er Rock 
und Hut zurücklassen #. 
§. 156. In den Fällen, wo das Gesinde nach §§. 117—135, 143 und 144 
von der Herrschaft entlassen wird, kann letztere der Regel nach die ganze Livree 
zurückbehalten. 
§. 157. Doch gebühren dem Bedienten die kleinen Montirungsstücke?, 
wenn er schon ein halbes Jahr gedient hat, und nur aus den §§. 143, 144 
angeführten Gründen entlassen wird. 
§. 158. Wenn das Gesinde aus den §§. 145 und 146 angeführten Gründen 
nach vorhergegangener Aufkündigung seinen Abschied nimmt, so finden die 
Vorschriften §§. 154 und 155 Anwendung. ç 
§. 159. Erfolgt aber der Austritt nur aus der §. 147 bestimmten Ursache, 
so muß der Dienstbote mit den kleinen Montirungsstücken sich begnügen. 
1) Hier ist die Weste versehentlich fortgelassen, Ges. Rev. Pens. XV. 58. 
2) Kleidungsstücke (ausgeschlossen Mäntel, Pelze), außer Rock und Hut, Koch, 
A. L. R. Anm. 88 zu §. 157 Ges. Ord.
	        
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