Full text: Handbuch für Preußische Verwaltungsbeamte. Erster Band. (1)

Abschnitt XI. Altpreußische Gesinde-Ordnung. 775 
lichkeit der Herrschaft nur bis zu diesem Zeitpunkte, und weiter hinaus nur 
insofern, als das Gesinde sich in dem neuen Dienste mit einem geringeren Lohne 
hat begnügen müssen #0. 
§. 164. Ist die Herrschaft das entlassene Gesinde wieder anzunehmen 
bereit, das Gesinde hingegen weigert sich, den Dienst wieder anzutreten, so kann 
letzteres in der Regel gar keine Vergütung fordern. 
§. 165. Weist aber das Gesinde einen solchen Grund seiner Weigerung 
nach, weswegen es seinerseits den Dienst zu verlassen, berechtigt sein würde, 
so gebührt demselben die 88. 1528q. bestimmte Vergütung. 
§. 166. Kann das Gesinde den vorigen Dienst wegen eines inzwischen 
erhaltenen anderweitigen Unterkommens nicht wieder antreten, so findet die Vor- 
schrift des §. 163 Anwendung. 
Verlassung des Dienstes. 
§. 167. Gesinde, welches vor Ablauf der Dienstzeit ohne gesetzmäßige 
Ursache den Dienst verläßt ), muß durch Zwangsmittels) zu dessen Fortsetzung 
angehalten werden. 
§. 168. Will aber die Herrschaft ein solches Gesinde nicht wieder an- 
nehmen, so ist sie berechtigt"!), ein anderes an seine Stelle zu miethen, und der 
ausgetretene Dienstbote ist nicht allein schuldig, die dadurch verursachten mehreren 
Kosten zu erstatten, sondern verfällt überdies in eine Strafe, die nach Maßgabe 
des Grades der Verschuldung auf zwei bis zehn Thaler, oder bei Unvermögen 
auf verhältnißmäßigess Gefängniß] Haft festzusetzen ist. 
— — — — — — 
–. 
1|) Bei Hausoffizianten muß die neue Stelle der alten konform sein, Erk. O. Trib. 
15. Juni 1858 (Strieth. Arch. XXX. 111). 
2) Bezw. nach polizeilicher Zurückführung den Dienst von Neuem verläßt, 
E. K. X. 225. 
2) Vergl. Anm. zu §. 51. Die Zwangsmittel sind von der Ortspolizeibehörde 
des Aufenthaltsortes des Gesindes anzuwenden, E. K. XI. 260. Die Thätigkeit der 
Polizei ist in den Vorschriften des öffentlichen Rechtes begründet und beschränkt sich 
darauf, die ohne gesetzmäßigen Grund durch einseitige Aufhebung eines bestehenden 
Dienstvertrages verursachte Störung der öffentlichen Ordnung dadurch zu beseitigen, 
daß sie den eigenmächtig handelnden Dienstboten zur Fortsetzung des verlassenen 
Dienstes anhält, E. O. V. XV. 436, Res. 6. Juni 1888 (M. Bl. S. 124). Die 
Polizei hat also, wie im Falle des §. 160, auf Anrufen der Herrschaft zunächst in 
einem Sühnetermine gütliche Einigung zu versuchen, demnächst die Schuldfrage zu 
prüfen und dann ev. Zwangsmittel anzuwenden. 
Auf Hausoffizianten finden §§. 167, 168 keine Anwendung, E. K. 25. Sept. 
1893 (bei Groschuff S. 286). 
Die etwaigen Kosten der zwangsweisen Zurückführung entlaufenen Gesindes find, 
sofern der Dienstbote sie nicht erlegen kann, als im polizeilichen Interesse aufgewendet, 
zu erachten und fallen nicht der Herrschaft zur Last, sondern der Polizeiverwaltung 
des Wohnortes des Dienstherrn, aus welchem der Dienstbote entläuft, Res. 20. Mai 
1850 (M. Bl. S. 134), 19. April 1890 (M. Bl. S. 79). 
Die Anordnung einer Polizeibehörde, wonach einem Gesinde die Rückkehr in den 
von ihm verlassenen Dienst aufgegeben wird, ist im Verwaltungsstreitverfahren an- 
fechtbar, Erk. O. V. G. 6. Dez. 1876 (E. O. V. 1. 396). Polizeiliche Straffestsetzungen 
hören aber auf, vollstreckbar zu sein, sobald ein rechtskräftiges, richterliches Erkenntniß 
den Dienstboten zum Verlassen des Dienstes berechtigt erklärt, Erk. O. V. G. 
14. März 1877 (E. II. 386), oder wenn der Dienstbote den Dienst wieder antritt, 
oder sich mit der Herrschaft gütlich einigt, E. O. V. II. 413. 
4) Der §. 168 läßt die Herrschaft schutzlos gegeg schlechtes Gesinde, welches ohne 
Grund davon läuft und die Herrschaft gerade in der Zeit, wo Mangel an Arbeits- 
kräften ist, im Stiche läßt, nach einigen Tagen aber wieder kommt. Freilich braucht 
die Herrschaft diesen Dienstboten nicht wieder anzunehmen, aber sie ist dazu gezwungen, 
weil sie keine andere Person für die Erntearbeiten auftreiben kann. Diesem Uebel- 
stande ist abgeholfen durch das Ges. 24. April 1854, oben S. 752f.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.