776 Abschnitt XI. Altpreußische Gesinde-Ordnung.
§. 169. Das abziehende Gesinde ist schuldig, alles, was ihm zum Ge-
brauche in seinen Geschäften, oder sonst zu seiner Aufbewahrung anvertraut
worden, der Herrschaft richtig zurück zu liefern.
1 170. Den daran durch seine Schuld entstandenen Schaden muß es der
Herrschaft ersetzen (§§. 65—69).
Abschied.
S§. 171. Bei dem Abzuge ist die Herrschaft dem Gesinde einen schriftlichen
Abschied und ein der Wahrheit gemäßes Zeugniß über seine geleisteten Dienste
zu ertheilen schuldig.
§. 172. Werden dem Gesinde in diesem Abschiede Beschuldigungen zur
Last gelegt, die sein weiteres Fortkommen hindern würden, so kann es auf
polizeiliche Untersuchung 2) antragen.
§. 173. Wird dabei die Beschuldigung unbegründet befunden, so muß die
Obrigkeits) dem Gesinde den Abschied auf Kosten der Herrschaft ausfertigen
lassen, und letzterer fernere üble Nachreden bei namhafter Geldstrafe untersagen.
§. 174. Hat hingegen die Herrschaft einem Gesinde, welches sich grober
Laster und Veruntreuungen schuldig gemacht hat, das Gegentheil wider besseres
Wissen bezeugt, so muß sie für allen einem Dritten daraus entstehenden Schaden
haften.
§. 175. Die folgende Herrschaft kann sich also an sie wegen des derselben
durch solche Laster und Veruntreuungen des Dienstboten verursachten Nach-
theils halten.
§. 176. Auch soll eine solche Herrschaft“!) mit einer Geldstrafe von einem
bis fünf Thalern zum Besten der Armenkasse des Orts belegt werden.
1) Ein solches Zeugniß ist nur erforderlich, wenn das Gefinde dasselbe verlangt,
Res. 20. Okt. 1826 (A. X. 1101). Ein Dienstherr, welcher von dem Recht, das
Gesinde im Dienst auch wider dessen Willen festzuhalten, keinen Gebrauch macht, ist
nicht berechtigt, ihm die im §. 171 vorgeschriebene Bescheinigung zu verweigern, Erk.
O. Trib. 8. Dez. 1865 (A. f. R. IXII. 70). Die Nichtertheilung des Ateestes
oder Ertheilung eines unrichtigen Attestes, macht die Herrschaft ev. schadensersatz-
pflichtig, Erk. R. G. 2. März 1891 (Rass. u. Küntz. XXXV. 683); auch die Privat-
kloge wegen Beleidigung ist nicht ausgeschlossen, Erk. O. Trib. 8. Jan. 1862
G. A. X. 187).
Auch in dem Falle, wenn die Dienstherrschaft die Ausstellung eines Dienstent-
lassungsscheines überhaupt verweigert, muß polizeiliche Einwirkung und Abhülfe statt-
finden, Res. 14. März 1842 (M. Bl. S. 68). Die Polizeibehörde ist nicht befugt,
die Herrschaft von der Ausstellung eines Zeugnisses zu entbinden, Erk. O. Trib.
14. Juni 1878 (Str. Arch. XCVIII. 233).
Wo es nöthig erscheint, ist auf Grund des Polizeiges. 11. März 1850 eine
Polizei-Berordnung zu erlassen, durch welche falsche Eintragungen von dienstherr-
schaftlichen Führungs-Attesten in Gesindebücher und die Verfälschung derartiger Ein.
tragungen unter Strafe gestellt werden, Res. 15. April 1852 (M. Bl. S. 119).
Die 88§. 171—173 gelten auch von Schiffsleuten, K. O. 23. Nov. 1831 (G. S.
S. 255).
2) Lie hat sich aber nur darauf zu erstrecken, ob die dem Gesinde zur Last ge-
legten Beschuldigungen begründet sind. Der Dienstbote kann also nicht die Aus-
stellung eines neuen Attestes verlangen, E. O. V. XXIV. 410. Gegen die polizei-
liche Entscheidung ist Beschwerde oder Verwaltungsklage gemäß §8§. 127 ff. L. V. G.
zulässig. Die ältere Ansicht (vergl. Koch zu §. 172 II. 5 A. L. R.), wonach die
Beweislast immer dem Gesinde obliegt, ist unrichtig. Die Polizei entscheidet auf
Grund amtlicher Untersuchung nach freiem Ermessen.
2) D. i. die Ortspolizeibehörde.
Schiffer mit dem höchsten Satze, K. O. 23. Nov. 1831 (G. S. S. 225).