784 Abschnitt XI. Rheinische Gesinde-Ordnung.
Rechtiliche Folgen einer unrechtmäßigen Verlassung des Dienstes.
§. 42. Gesinde, welches vor Ablauf der Dienstzeit ohne gesetzmäßige
Ursache den Dienst verläßt, muß von der Polizei-Behörde auf Verlangen der
Herrschaft durch Zwangsmittel zur Fortsetzung desselben angehalten werden,
wenn die Herrschaft es nicht vorzieht, sich mit dem Schadenersatz zu be-
gnügen. Das Gesinde hat im letzteren Falle nicht nur diesen Schadenersatz
zu- leisten, sondern ist auch mit einer Polizeistrafe von 1 bis 5 Thalern!) zu
elegen.
Entlassungs-Zeugniß.
§. 43. Die Herrschaft ist verpflichtet, dem Gesinde bei dessen Abzuge
ein der Wahrheit gemäßes Zeugniß über die von demselben geleisteten Dienste
auszustellen.
§. 44. Werden dem Gesinde in diesem Zeugnisse Beschuldigungen zur
Last gelegt, die sein weiteres Fortkommen hindern würden, so kann dasselbe
auf polizeiliche Untersuchung antragen.
§. 45. Wird bei dieser Untersuchung die Beschuldigung ungegründet
befunden, so muß die Polizei-Behörde dem Gesinde ein Zeugniß auf Kosten
der Herrschaft ausfertigen lassen.
§. 46. Hat hingegen die Herrschaft einem Gesinde, welches sich grober
Laster und Veruntreuungen schuldig gemacht, das Gegentheil wider besseres
Wissen bezeugt, so muß sie für allen einem Dritten daraus entstehenden
Schaden nach den allgemeinen gesetzlichen Grundsätzen haften, und verfällt in
eine Geldstrafe von 1 bis 5 Thalern.
Kompetenz-Bestimmungen.
§. 47. So weit ses nur darauf ankommt, die Erfüllung gegensettiger
Verbindlichkeiten während des bestehenden Dienstes, ferner die Annahme oder
den Antritt, das Behalten oder Bleiben, den Abzug oder die Entlassung des
Gesindes, endlich die Ertheilung eines Abschieds-Zeugnisses von Seiten der
Herrschaft zu bewirken, entscheidet die Polizei-Behörde und setzt ihre Ent-
scheidung sofort im Vollzug.
§. 48. Mit Ausnahme der Streitigkeiten über die Beschaffenheit des
Entlassungs-Zeugnisses findet zwar gegen die Entscheidung der Polizei-Behörde
die Berufung auf den Rechtsweg ?) statt: bis zur Beendigung desselben behält
es jedoch bei den polizeilichen Anordnungen sein Bewenden.
§. 49. Ueber Ansprüche nach Aufhebung des Vertrages hat die Polizei-
Behörde niemals zu entscheiden.
§. 50. In Ansehung der Kompetenz?) der Behörden zur Festsetzung der
in dieser Ordnung angedrohten Strafen verbleibt es bei den in den ver-
schiedenen Landestheilen bestehenden allgemeinen Bestimmungen über die Kom-
petenz in Strafsachen, doch sollen die in den §§. 12 und 42 bestimmten
Strafen auch im Bezirke des (Appellations-Gerichtshofes) Oberlandesgerichts
zu Köln von den Polizei-Verwaltungs-Behörden festgesetzt werden.
1) Diese Geldstrafe, die ev. gemäß §s§. 28, 29 R. Str. G. B. durch Haft zu
ersetzen ist, wird jetzt durch das zuständige Gericht im ordentlichen Strafverfahren
festgesetzt. Sie besteht noch neben der Strafbest. S. 1 Ges. 24. April 1854.
2) Jetzt finden (auch bei Streitigkeiten über die Beschaffenheit des Entlassungs-
zeugnisses) die Rechtsmittel der §§. 127 ff. L. V. G. statt.
2) Die Anordnung des §. 50, daß die in den 8§. 12 und 42 angedrohten Strafen
von den Polizeiverwaltungsbehörden festgestellt werden sollen, ist durch Art. 14 Einf.
Ges. zum Str. G. B. nicht aufgehoben, doch steht den Betheiligten der Rechtsweg
an die Gerichte offen; Erk. O. Trib. 27. März 1862 (Rh. A. LVI. II. 121).