Abschnitt XII.
preß-Ppolizei.
Gesetz über die presse 7.
Vom 7. Mai 1874 (R. G. Bl. S. 65).
I. Einleitende Bestimmungen.
§. 1. Die Freiheit der Presse unterliegt nur denjenigen Beschränkungen,
welche durch das gegenwärtige Gesetz vorgeschrieben oder zugelassen sind.
9 2. Das gegenwärtige Gesetz findet Anwendung auf alle Erzeugnisse
der Buchdruckerpresse ), sowie auf alle anderen, durch mechanische oder chemische
Mittel bewirkten, zur Verbreitung bestimmten Vervielfältigungen von Schriften
und bildlichen Darstellungen mit oder ohne Schrift, und von Musikalien mit
Text oder Erläuterungen?.
Was im Folgenden von „Druckschriften“ verordnet ist, gilt für alle vor-
stehend bezeichneten Erzeugnisse.
§. 3. Als Verbreitung ) einer Druckschrift im Sinne dieses Gesetzes gilt
auch das Anschlagen, Ausstellen oder Auslegen derselben an Orten, wo sie der
Kenntnißnahme durch das Publikum zugänglich ist).
§. 4. Eine Entziehung der Befugniß zum selbständigen Betriebe irgend
eines Preßgewerbes#) oder sonst zur Herausgabe und zum Vertriebe von Druck-
schriften kann weder im administrativen, noch im richterlichen Wege stattfinden.
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1) Kommentare von F. O. v. Schwarze, 2. Aufl. 1885, Stenglein in Straf-
rechtliche Nebengesetze des Deutschen Reiches, 2. Aufl. S. 413ff., Delius 1895. Einf.
des Ges. in Helgoland, Vd. 22. März 1891 (R. G. Bl. S. 21).
2) Stimmzettel, welche im Wege der Vervielfältigung hergestellt find, und nur
die Bezeichnung der zu erwählenden Personen enthalten, gelten nicht als Druckschriften
im Sinne der Reichs= und der Landesgesetze, Ges. 12. März 1884 (R. G. Bl. S. 17).
:) Auch auf Photographien und ähnliche Erzeugnisse, E. Crim. IV. 362; dagegen
nicht auf Geschriebenes, auch wenn dies mit der Schreibmaschine geschieht, wohl aber
auf mechanische Vervielfältigungen jeder Art, Delius S. 6.
4) Verbreiten heißt für das allgemeine Publikum zugänglich machen. Das Aus-
geben des Verlegers wird also erst dann zum Verbreiten, wenn die Druckschrift an
die Sortimentsbuchhandlungen versandt oder an die Post zum Zwecke der Versendung
eingeliefert ist. Anzeigen, Reklamen 2c. schließen ein Verbreiten nicht in sich, auch
nicht das Ausstellen im Schaufenster oder auf dem Novitätentische, E. Crim. XIV.
397. Einen Erfolg braucht das Verbreiten nicht gehabt zu haben, E. Crim. XVI. 245.
Die Druckschrift selbst muß verbreitet werden; ihre Verlesung oder ihr auswendiges
Hersagen ist kein Verbreiten, E. Crim. XV. 118. Die Verbreitung eines einzigen
Exemplars genügt, E. Crim. XVI. 245. ·
*) Verbreitung kleiner Druckwerke durch automatische Verkaufsapparate ist zu
überwachen, aber nicht zu inhibiren, Res. 8. Juli 1891 (M. Bl. S. 150).
6) Vergl. Gew. O. §. 14; doch schließt diese Bestimmung nicht aus, auch andere
verwandte Gewerbe den Preßgewerben zuzuzählen. Fraglich ist dies bezüglich der
Hülfsgewerbe, z. B. Schriftgießereien. Die Frage ist zu bejahen, soweit solche Ge-
werbe ausschließlich für Preßgewerbe thätig find.
Illing-Kautz, Handkuch I, 7. Aufl. 50