Abschnitt XIV. Vereinsgesetz. 827
mindestens vier und zwanzig Stunden vor dem Beginne der Versammlung,
unter Angabe des Ortes und der Zeit derselben, Anzeige bei der Ortspolizei-
behörde) zu machen. Diese Behörde hat darüber sofort eine Bescheinigung?)
zu ertheilen.
Beginnt die Versammlung nicht spätestens eine Stunde nach der in der
Anzeige angegebenen Zeit, so ist die später beginnende Versammlung als vor-
schriftsmäßig angezeigt nicht anzusehen. Dasselbe gilt, wenn eine Versammlung
die länger als eine Stunde ausgesetzten Verhandlungen wieder aufnimmt.
Zu Anmerkung 3 auf S. 826.
Der Unternehmer braucht der Versammlung selbst nicht beizuwohnen, Erk. K. G. 13. Nov.
1890 (G. A. XXXVIII. 64). Der Einberufer und Leiter einer Versammlung hat
in dem zur Verfügung gestellten Lokal das Hausrecht, E. Crim. XXIV. 194.
Wer zu einer ohne die vorgeschriebene Anzeige bei der Ortspolizeibehörde abge-
haltenen Versammlung das Lokal (Zimmer) eingeräumt hat, ist nur dann straffrei,
wenn er seine Unkenntniß von dem Zwecke der Versammlung auch nicht durch Fahr-
lässigkeit verschuldet hat, Erk. 17. Febr. 1890 (E. K. X. 249). Vergl. §. 59 Absl. 2
Str. G. B.; nach §. 12 des Vereinsges. handelt es sich um eine Uebertretung.
1) Ortspolizeibehörde ist im Geltungsbereich der Kr. O. 13. Dez. 1872 nicht
der Gemeindevorsteher, sondern der Amtsvorsteher, Erk. 16. Okt. 1882 (E. K. 1IV.
302); sonst die mit der Verwaltung der Ortspolizei in den einzelnen Provinzen
beauftragten Behörden.
Eine Polizeiverordnung, die die Abhaltung von Versammlungen in öffentlichen
oder Privatlokalen während der Stunden des gewöhnlichen Vor= oder Nachmittags=
Gortesdienstes an Sonn= und Feiertagen verbietet, ist gültig, Erk. 9. Juni 1890
(E. K. X. 250).
Die Befugniß der Polizeibehörde zu dem Verbote von Versammlungen, in denen
öffentliche Angelegenheiten erörtert werden, ist nicht auf diejenigen Fälle beschränkt,
in denen die über die Verhütung des Mißbrauchs des Versammlungsrechts ergangene
Vd. 11. März 1850 die Auflösung von Versammlungen gestattet. Das Verbot
kann auch erfolgen, wenn das Zusammentreten und Verweilen von Menschen an
bestimmten Orten oder unter besonderen Voraussetzungen nach gesetzlichen Vor-
schriften unzulässig erscheint, die gar nicht zur Regelung des Versammlungsrechtes
erlassen sind, sondern anderen Gebieten angehören, Erk. 26. Juni 1880 (E. O. V.
VI. 370). — Die bloße Möglichkeit, daß eine Versammlung Störungen der öffent-
lichen Ordnung und Sicherheit zur Folge haben kann, gegen welche polizeilich ein-
zuschreiten sein würde, berechtigt nicht zum Verbot der Versammlung von vornherein;
ebenso wenig unlautere Motive des Unternehmers, wenn keine Bedenken dagegen
obwalten, daß die Versammlung selbst unanstößig verlaufen wird, Erk. 11. Okt. 1884
(E. O. V. XI. 382).
Die für einen bestimmten Tag angesetzte Versammlung braucht nicht mit Ablauf
des Tages zu enden, wenn ein Endtermin nicht festgesetzt ist, Res. 30. Juni 1891
(M. Bl. S. 156). Die Erhebung von Eintrittsgeldern oder die Veranslaltung von
Sammlungen kann (auch im Wege einer Polizeiverordnung) nicht verboten werden.
Der Erhebung von Eintrittsgeldern beliebiger Höhe kann jedoch ebenso, wie den
Sammlungen durch Polizeivorschriften, betr. das öffentliche Kollektenwesen entgegen-
getreten werden, Res. 30 Okt. 1891 (M. Bl., S. 231). Vergl. auch Res. 7. Mai
und 10. Juli 1890 (M. Bl. S. 84 und 201).
Das zur Versammlung dienende öffentliche Lokal unterliegt der Polizeistunde,
falls es nicht für die Dauer der Versammlung gemiethet ist und nur ein individuell
begrenzter Personenkreis (Vereinsmitglieder und eingeführte Gäste 2c.) Zutritt hat, E.
O. V. XXII. 413; XXIII. 399.
2) Bei rechtzeitig eingegangener Anzeige sofort, auch außerhalb der Dienststunden
und selbst an Sonn= und Feiertagen, sobald der Beamte angetroffen wird, Erk. O.
Trib. 22. Juni 1878 (O. R. XIX. 325). Gegen die Versagung oder Vorent-
haltung stehen die Rechtsmittel der §§. 127 ff. L. V. G. zu, E. O. V. XXII. 407.