830 Abschnitt XIV. Vereinsgesetz.
und jede Aenderung der Statuten oder der. Vereinsmitglieder binnen drei
Tagen, nachdem sie eingetreten ist, der Ortspolizeibehörde !) zur Kenntnißnahme
einzureichen, derselben auch auf Erfordern jede darauf bezügliche Auskunft zu
ertheilen. *
heieen Ortspolizeibehörde hat über die erfolgte Einreichung der Statuten
und der Verzeichnisse, oder der Abänderung derselben, sofort eine Bescheinigung
zu ertheilen?.
Die Bestimmungen dieses und der vorhergehenden Paragraphen beziehen
sich nicht auf kirchliche und religiöse Vereine und deren Versammlungen, wenn
diese Vereine Korporationsrechte ) haben.
Zu Anmerkung 1 auf S. 829.
11. März 1850 (G. S. S. 277). Es ist demgemäß, da gegen Vereine der er-
wähnten Art die Vermuthung spricht, daß sie die Geheimhaltung ihrer Verfassung
oder Zwecke beabsichtigen, polizeilich von den Vereinsvorständen der Nachweis zu
verlangen, daß diese Vereine weder öffentliche Zwecke verfolgen, noch wider das Verbot
des §. 128 R. Sir. G. B. versloßen, und es ist, falls die thatsächlichen und rechtlichen
Voraussetzungen dieser gesetzlichen Bestimmungen erweislich sind, die strafrechtliche
Verfolgung dieser Vereine bei der Staatsanwaltschaft zu beantragen, E. O. 8
3. April 1893 (G. A. XI. 80), Res. 7. Dez. 1893 (M. Bl. 1894 S. 43).
:) Für die Beurtheilung, ob ein Verein eine Einwirkung auf öffentliche An-
gelegenheiten bezweckt, sind dessen Statuten allein nicht maßgebend; seine wirklichen
Zwecke können vielmehr auch nach seiner Thätigkeit und nach den Thatsachen festgestell#t
werden, in welchem seine Zwecke zu Tage reten, Erk. 8. April 1875 (G. A.
XXII. 470..
Bezwecken heißt beabsichtigen, E. Crim. XXII. 339. Wenn ein Verein absicht-
lich und bewußt in seinen Versammlungen öffentliche Angelegenheiten erörtert, so
bezweckt er eine Einwirkung darauf, E. K. X. 247.
Die Statuten und Mitgliederverzeichnisse müssen zur Vermeidung der Strafe
des §. 13 in deutscher Sprache eingereicht werden, Erk. 9. Febr. 1876 (G. A.
XXIV. 65).
1) Der 5 2 verpflichtet die Vorsteher eines politischen Vereins nicht, der Vorschrift
über die Einreichung der Statuten u. s. w. an die Ortspolizeibehörde an jedem Orte
zu genügen, an welchem einer der Vorsteher eine (vorschriftsmäßig angemeldete) Volks-
versammlung veranstaltet, sofern nicht festgestellt werden kann, daß an dem betreffenden
Orte formell oder thatsächlich ein Verein sich gebildet habe, Erk. 25. Mai 1877
(G. A. XXV. 384). ·
Die Statuten und das Mitgliederverzeichniß der politischen Vereine sind binnen
drei Tagen bei der Polizeibehörde des Ortes einzureichen, wo der betreffende Berein
seinen Sitz hat und nicht auch bei den Lokalpolizeibehörden aller derjenigen Orte, wo
ein oder mehrere von seinen Mitgliedern wohnen; vielmehr tritt eine solche Verpflichtun
erst dann ein, wenn und insoweit ein Verein eine über die Grenzen seines Orts—
polizeibezirkes hinübergreifende, mehr oder weniger selbständige örtliche Vereinsthätigkeit
ausüben will, Erk. 10. Febr. 1887 (E. K. VII. 264).
*) Vergl. Anm. 2 S. 827 und über den Inhalt der Bescheinigung E. O. B.
XXII. 408. Das Fehlen der Bescheinigung ist hier aber unwesentlich, sofern die
Statuten eingereicht sind.
*) Die gedachten Bestimmungen finden also auf alle Religionsgesellschaften un.
bedingt Anwendung, denen die Korporationsrechte nicht beigelegt sind. Es ist dies
keine Verletzung des Art. 12 der Verf. Urk., welcher die Freiheit der Vereinigung zu
Religionsgesellschaften gewährleistet, indem Art. 12 ausdrücklich auf den Art. 30
Bezug nimmt und außerdem der in Art. 12 enthaltene allgemeine Grundsatz durch
das im verfassungsmäßigen Wege erlassene Vereinsgesetz seine bestimmte Ausprägung
und unzweifelhafte Begrenzung erhalten hat, Res. 1. Aug. 1850 (M. Bl. S. 204).
Zu den öffentlichen Angelegenheiten gehören auch religiöse und kirchliche Ange-
legenheiten. Kirchliche und religiöse Vereine, wenn sie nicht mit Korporationsrechten
ausgestattet sind (§. 2 Abs. 3), unterliegen den Vorschriften des §. 2 Abs. 1. Der
Zweck, eine Einrichtung zur Erleichterung der Befriedigung des privaten religiösen
Bedürfnisses der Vereinsmitglieder zu treffen, ist als bezweckte Einwirkung auf öffent-