Full text: Handbuch für Preußische Verwaltungsbeamte. Erster Band. (1)

832 Abschnitt XIV. Vereinsgesetz. 
. 1 und 3) nicht vorgelegt werden kann. Ein Gleiches gilt, wenn in der 
ersammlung Anträge oder Vorschläge erörtert werden, die eine Aufforderung 
oder Anreizung zu strafbaren Handlungen enthalten; oder wenn in der Ver- 
sammlung Bewaffnete erscheinen, die der Aufforderung des Abgeordneten der 
Obrigkeit entgegen, nicht entfernt werden. " 
§. 6. Sobald ein Abgeordneter der Polizeibehörde die Versammlung für 
aufgelöst erklärt hat, sind alle Anwesenden verpflichtet, sich sofort zu entfernen ). 
Diese Erklärung kann nöthigenfalls durch die bewaffnete Macht zur Ausfüh= 
rung gebracht werden. 
§. 7. Niemand darf in einer Versammlung bewaffnet?) erscheinen, mit 
Ausnahme der im Dienste befindlichen Polizeibeamten. 
§. 8. Für Vereine, welche bezwecken?), politische"!) Gegenstände in Ver- 
Zu Anmerkung 4 auf S. 831. 
(Pr. V. Bl. XI. 76), Res. 14. Dez. 1889 (M. Bl. 1890 S. 1). Vergl. E. O. V. 
XXI. 401; XXIII. 402. 
Der Gebrauch einer nicht deutschen Sprache ist kein hinreichender Grund, eine 
Versammlung aufzulösen, Erk. 26. Sept. 1876 (E. O. V. I. 347). 
Auch eine vom Vorsitzenden bereits geschlossene Versammlung kann aufgelöst 
werden, falls sie trotz der formellen Schlußerklärung weiter tagt, E. K. VI. 252: 
desgl. eine zweite Versammlung, die lediglich eine Fortsetzung der ersten aufgelösten 
darstellt, Res. 25. April 1878 (bei Delius S. 61). 
1) Die Verpflichtung, sich nach erfolgter Auflösung einer Versammlung sofort zu 
entfernen, erstreckt sich nicht bloß auf den Raum des Lokals, in welchem die aufge- 
löste Versammlung wirklich abgehalten worden ist, sondern auch auf audere Räume 
dieses Lokals, wenn nach dem pflichtmäßigen Ermessen des überwachenden Polizei- 
beamten begründete Ursache zu der Besorgniß vorliegt, daß der in diese Räume ab- 
getretene Theil der aufgelösten Versammlung daselbst die durch das Auflösungsgebot 
unterbrochene Diskussion über die Gegenstände der Tagesordnung fortsetzen werde 
Erk. 20. Jan. 1887 (E. K. VII. 268p). * 
Die Auflösungserklärung muß jedem Anwesenden verständlich sein; die Form ist 
gleichgültig, Erk. R. G. 16. Jan. 1885 (E. Crim. XI. 371). Eine Entschädigungs- 
klage gegen einen Beamten, der aus unzureichenden Gründen, aber in gutem Glauben 
eine Versammlung aufgelöst hat, ist unzulässig, Erk. Komp. G. H. 14. April 1877 
(M. Bl. S. 162). Die Auflösung ist vorbehaltlich der Beschwerde, sofort vollstreckbar 
auch wenn sie unbegründet war, Erk. O. Trib. 10. Febr. 1868 (O. R. IX. 720). 
9aee gen Bescheid der betr. Polizeibehörde stehen die Rechtsmittel aus 88. 127 ff. 
. V. G. zu. 
:) Eine Vereinigung Mehrerer, welche nicht zu irgend einem unerlaubten, sicher- 
heitsgefährlichen Zweck, sondern lediglich zu einer herkömmlichen Kirchenfeier zusammen- 
getreten ist, kann selbst, wenn die Einzelnen eine Waffe bei sich führen, nicht als ein 
„bewaffneter Haufe“ im Sinne des Str. G. B. (S. 127) angesehen werden, zumal 
wenn die Waffen nur als Kostümstücke dienen. Aufzüge, welche lediglich zum Zweck 
einer hergebrachten kirchlichen Ceremonie in der Kirche vorgenommen werden und 
einen Theil dieser kirchlichen Ceremonien selbst bilden, bedürfen, selbst wenn sie unter 
freiem Himmel stattfinden, nicht der vorgängigen polizeilichen Genehmigung, Erk. O. 
Trib. 1. April 1870 (O. R XI. 222). Vergl. Anm. zu F. 10. 
Das Verbot, bewaffnet zu erscheinen, erstreckt sich auch auf die im §. 10 be- 
zeichneten öffentlichen Aufzüge, Erk. 26. Jan. 1885 (E. K. V. 282). 
Schmuck und Uebungsgeräth sind keine Waffen, E. O. V. XX. 440, desgl. 
Schläger bei Kommersen, O. R. IV. 433, wohl aber Mensurschläger, E. Crim. VIII. 87. 
2) Ueber die Auslegung der Worte, „welche bezwecken, politische Gegenstände in 
Versammlungen zu erörtern“, vergl. Erk. 23. Okt. 1863 (M. Bl. 1864 S. 208). 
Ein einziger Vortrag politischen Inhalts kann genügen, Erk. R. G. 18. Febr. 1887 
(E. Crim. XV. 305). 
Es kommt nur darauf an, ob der Verein (d. h. der Verein als solcher, E. Crim. 
XXII. 340) bezweckt, politische Gegenstände zu erörtern, nicht aber darauf, ob der 
Verein solche Gegenstände bereits erörtert hat, Erk. 26. Nov. 1875 (G. A. XXIII. 630). 
4) Politische Gegenstände sind alle den Staat als lebendigen Organismus be- 
treffenden Gegenstände und weil das Leben des Staates sich nach Innen und Außen 
 
	        
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