Abschnitt XIV. Vereinsgesetz. 833
sammlungen zu erörtern 1), gelten außer vorstehenden Bestimmungen nachstehende
Beschränkungen:
a) sie dürfen keine Frauenspersonen:), Schüler und Lehrlinge als Mit-
glieder aufnehmen;
b) sie dürfen nicht mit anderen 2) Vereinen gleicher Art zu gemeinsamen
Zu Anmerkung 4 auf S. 832.
äußert, werden alle politischen Gegenstände sich auch nach diesen beiden Seiten hin
qualifizieren lassen. Die Kritik ist kein nothwendiger Zubehör der „Erörterung“ im
Sinne des §. 8, Erk. 23. Okt. 1863 (M. Bl. 1864 S. 208). Vergl. E. Crim.
XXII 340.
Die Erörterung des rechtlichen Verhältnisses zwischen der Staatsgewalt und den
Unterthanen ist eine politische Frage, Erk. 13. Juni 1866 (O. R. VII. 353); 7. April
1853 (G. A. I. 380).
Die Erörterung sozialer Fragen (beispielsweise Verbesserung der Lage der Ar-
beiter, die Lohnfrage 2c.) ist als eine Erörterung politischer Gegenstäude im Sinne des
§5. 8 anzusehen, Erk. O. Trib. 26. Nov. 1875 (E. 1XWVI 394); desgl. die
Regelung der Arbeitszeit, Erk 26. April 1888 (E. K. VIII. 215).
Unter „politischen Gegenständen“ im Sinne des §. 8 lit. b des Vereinsgesetzes
sind alle Angelegenheiten zu verstehen, welche Verfassung, Verwaltung, Gesetzgebung
des Staates, die staatsbürgerlichen Rechte der Unterthanen und die internationalen
Beziehungen der Staaten zu einander in sich begreifen. Der §. 152 der Gew. O.
hot es absolut nicht mit irgend welchen Gegenständen politischer Natur, sondern aus-
schließlich mit den konkreten Arbeitsverträgen zwischen Arbeitgebern und Arbeit-
nehmern, mit dem unmittelbar durch diese Verträge geregelten Lohn und
Arbeitsbedingungen und mit dem Gegensatze und Kampfe der sozialökonomischem
Interessen unmittelbar um diese Bedingungen zu thun. Dem Altonger Fach-
verein der Tischter#stand es hiernach vollkommen frei, sowohl selbständig durch
Arbeitseinstellungen und sonstige erlaubte Pressionsmittel auf Verbesserung der Löhne
im Tischlergewerbe 2c. hinzuwirken, als auch zu gleichen konkreten wirthschaftlichen
Zwecken sich mit anderen Vereinen zu verbinden. Sobald irgend welche gewerb-
liche Koalitionen behufs Erlangung günstiger Lohn= und Arbeitsbedingungen das Ge-
biet des gewerblichen Lebens mit seinen konkreten Interessen verlassen, sobald sie
hintbergreifen in das staatliche Gebiet, sobald sie die Organe und die Thätigkeit
des Staates für sich in Anspruch nehmen, hören sie auf, gewerbliche Koalitionen zu
sein und wandeln sich in politische Vereine um, die als solche den Beschränkungen
des Vereins= und Versammlungsrechts unterliegen. Nicht lediglich die allgemeine
Tendenz und das letzte Ziel, sondern zugleich Form und Mittel der Vereinsbe-
strebungen entscheiden darüber, ob sie politischen Charakter an sich tragen, Erk.
10. Nov. 1887 (E. Crim. XVI. 383). Vergl. E. Crim. XVI. 306, 307 und Erk.
O. V. G. 13. Dez. 1893 (G A. XII. 455). Hiernach gehören hierher Wahlange-
legenheiten des Reichs= oder Landtages, E. K. VI. 247; XlI. 303; auch die Be-
sprechung einer Bürgermeisterwahl, Erk. K. G. 2. März 1893 bei Groschuff S. 43;
Verherrlichung der dänischen Muteersprache in Vorträgen, Erk. K. G. 7. März 1895
(G. A. XIII. 442); des hannoverschen Königshauses, Erk. K. G. 18. April 1895
(G. A. XI. III. 150).
1) Vergl. Anm 1 S 826. Ein Verein, der ohne Versammlungen nur durch
die Presse auf politische Gegenstände einwirken will, unterliegt dem §. 8 selbst dann
nicht, wenn er in bloßen Privatzusammenkünften seiner Vorsteher und sonstigen
Organe sein künftiges Vorgehen und damit politische Gegenstände beräth, sondern es
muß statutenmäßig oder thatsächlich eine Versammlung vorliegen, E. O. V. XX. 432.
2) Politische Vereine dürfen daher auch nicht ausschließlich aus Frauen bestehen,
E. Crim XV 307.
3) Das Verbot, nach welchem ein Verein, welcher politische Gegenstände 2c. 2c.
zu erörtern bezweckt, nicht mit anderen Vereinen „gleicher Art“ 2c. 2c. in Verbindung.
treten darf, wird anwendbar, sobald der andere Verein ebenfalls die Erörterung
politischer Gegenstände bezweckt. 6
Die Schließung eines politischen Vereins kann (beziehungsweise muß) ausge-
spcochen werden, sobald ein Vorsteher desselben aus den ö§. 8 und 16 des Vereins-
lling-Kautz, Haudbuch I, 7. Aufl. 53