Full text: Handbuch für Preußische Verwaltungsbeamte. Erster Band. (1)

Abschnitt XIV. Vereinsgesetz. 837 
§. 13. Wenn, der Vorschrift des §. 2 entgegen, die Statuten eines 
Vereins oder das Verzeichniß der Mitglieder, oder die eingetretenen Aenderungen 
in der bestimmten Frist zur Kenntniß der Ortspolizeibehörde nicht gebracht 
worden sind, oder wenn eine von der Ortspolizeibehörde erforderte Auskunft 
nicht ertheilt worden ist, so wird jeder Vorsteher des Vereins ) mit Geldbuße 
von 15 bis 150 Mark bestraft, insofern er nicht nachweisen kann, daß die An- 
zeige oder Einreichung des Verzeichnisses ganz ohne sein Verschulden unter- 
blieben ist. Dieser Strafe tritt eine Haft-Strafe von sieben Tagen bis sechs 
Wochen hinzu, wenn die Vorsteher wissentlich unrichtige Statuten oder Ver- 
zeichnisse eingereicht, oder wissentlich unrichtige Auskunft ertheilt haben. 
§. 14. Wenn in einer Versammlung, der Vorschrift des 8. 4 entgegen, 
den Abgeordneten der Ortspolizeibehörde der Zutritt oder die Einräumung eines 
angemessenen Platzes verweigert worden ist, so trifft den Unternehmer und Jeden, 
welcher in der Versammlung als Vorsteher, Ordner oder Leiter aufgetreten ist, 
Geldbuße von 30 bis 300 Mark oder Gefängniß?) von vierzehn Tagen bis zu 
sechs Monaten. Dieselbe Strafe hat der Vorsitzende verwirkt, wenn er sich 
weigert, den Abgeordneten der Polizeibehörde Auskunft über die Person der 
Redner zu geben, oder wenn er wissentlich unrichtige Auskunft ertheilt. 
§. 15. Wer sich nicht sofort entfernts), nachdem der Abgeordnete der 
Ortspolizeibehörde die Versammlung für aufgelöst erklärt hat (§8. 5, 6, 8), 
wird mit Geldbuße von 15 bis 150 Mark oder mit Gefängniß von sieben 
Tagen bis zu drei Monaten bestraft. 
§. 16. Wenn ein politischer Verein die in §. 8 zu a und b gezogenen 
Beschränkungen überschreitet, so haben Vorsteher, Ordner und Leiter, die diesen 
Bestimmungen entgegen gehandelt haben, eine Geldbuße von 15 bis 150 Mark 
oder Gefängniß von sieben Tagen bis zu drei Monaten verwirkt"). Der 
Richter kann außerdem nach der Schwere der Umstände auf Schließung#) des 
—.. J ——— 
Zu Anmerkung 6 auf S. 836. 
Strafrechtlicher Dolus ist nicht erforderlich. Es genügt, daß die mit Strafe bedrohten 
Handlungen aus der freien Willensbestimmung hervorgegangen sind. Ein IJrrthum 
Über die Strafbarkeit wegen Unkenntniß oder unrichtiger Auslegung der Gesetzes- 
vorschriften ist ohne Einfluß, E. Crim. II. 269, VIII. 107, E. 5 VI. 251. 
1) Gleichgültig ist, ob er aus eigenem Antriebe, oder im Auftrage eines Anderen, 
etwa eines auswärtigen größeren Vereinsverbandes handelt, Erk. O. Trib. 9. Juni 
1870 (G. A. XVIII. 631). 
2) Zuwiderhandlungen gegen §S§. 14, 15, 16 Abs. 1 und 2 sind Vergehen. 
3) Wer sich nicht sofort entfernt, nachdem der Abgeordunete der Polizeibehörde 
eine Versammlung für aufgelöst erklärt hat, verwirkt die Strafe des §. 15 selbst dann. 
wenn die Auflösung nicht aus einem der Gründe erklärt war, aus welchen das Gesetz 
(ss. 5— 8) ausdbrücklich eine solche Maßnahme als statthaft bezeichnet. Wegen einer 
gesetzlich nicht gerechtfertigten Auflösung ist nur der Weg der Beschwerde, wie in ge- 
wöhnlichen Fällen, bei der vorgesetzten Behörde zulässig, Erk. 10. Dez. 1868 (O. R. 
IX. 720). 
") Ein besonderer strafrechtlicher Dolus ist nicht erforderlich. Insbesondere ist 
das Bewußtsein, daß die in Verbindung getretenen Vereine politische im Sinne der 
88. 8, 16 des Ges. seien, nicht Vorbedingung für die Bestrafung, E. K. VI. 301, 
E. Crim. XV. 309. 
6) Die Schließung eines politischen Vereins kann (bezw. muß) ausgesprochen 
werden, sobald ein Vorsteher aus den §§. 8 und 16 bestraft wird; es bedarf dazu 
nicht der Einleitung eines Verfahrens gegen den Verein selbst oder seinen Vorstand, 
Erk. O. Trib. 26 Febr. 1873 (O. R. XIV. 172). Der Strafrichter ist zuständig, 
Erk. R. G. 18. Febr. 1887 (E. Crim. XIV. 305). » » 
Für den Umfang des Preußischen Gebiets kann auch über solche politische Vereine 
die Schließung verhängt werden, welche von einem außerhalb des Prenßischen Staats 
refidirenden Vorstand geleitet werden, Erk. 11. Nov. 1875 (E. LXXVI. 403). 
Die im Straferkenntnisse ausgesprochene „Schließung eines politischen Vereins“ 
kann nur von denjenigen Angeklagten durch ein Rechtemittel angefochten werden, 
welche jenem Vereine angehört haben. Der Ausspruch einer solchen „Schließung“ 
wird dadurch nicht ausgeschlossen, daß der Verein sich inzwischen selbst aufgelöst hat, 
Erk. 19. Nov. 1873 (O. R. XIV. 731).
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.