Abschnitt XIV. Kriegervereine. 841
beurtheilen. Prozessionen, welche bis dahin herkömmlich unter Leitung eines
Geistlichen stattgefunden haben, sind nicht zu dulden, wenn dieselben der
Leitung eines solchen entbehren; letzteres ist auch anzunehmen, wenn ein
staatlich nicht anerkannter Geistlicher die Leitung übernehmen sollie. (Ein
solcher Geistlicher würde sich überdies nach §. 23 des Gesetzes vom 11. Mai
1873 über die Vorbildung und Anstellung von Geistlichen G. S. S. 191 ff.
strafbar machen.)
5. Wenngleich eine gewisse Rücksichtnahme auf den religiösen Charakter der kirch-
lichen Prozessionen, Wallfahrten 2c. von Seiten der nicht daran theilnehmenden,
auch der andersgläubigen Bevölkerung als schicklich bezeichnet und erwartet
werden darf, so ist doch jeder Zwang in dieser Richtung unstatthaft Gegen
Belästigungen, Nöthigungen, wie z. B. zur Entblößung des Hauptes beim
Vorüberziehen einer Prozession — oder gegen andere Ungebührlichkeiten und
Excesse von Seiten der Theilnehmer einer Prozession 2c. haben die Polizei-
behörden und Beamten dem Publikum ihren vollen Schutz zu gewähren.
Derartige Ausschreitungen sind unter keinen Umständen zu dulden und sind
etwaige Excedenten sofort in Haft und zur Bestrafung zu bringen.
6. Endlich machen wir noch auf folgenden Gegenstand aufmerksam.
Es ist mehrfach vorgekommen, daß durch Prozessionen, Wallfahrten und
Bittgänge ansteckende Krankheiten verbreitet worden sind. Wir weisen zur
Vermeidung solcher Vorkommnisse darauf hin, daß die Anordnung. von polizei-
lichen Maßregeln, welche darauf berechnet sind, der Weiterverbreitung lebens-
gefährlicher Epidemien vorzubengen, in den Kreis derjenigen Gegenstände der
Sorge für Leben und Gesundheit fällt, über welche nach §. 6 lit. k des Ge-
setzes über die Volizeiverwaltung vom 11. März 1850 resp. der Verordnung
vom 20. September 1867 für die neuen Landestheile (G. S. S. 1529) polizei-
liche Vorschristen mit Strafandrohung zulässig sind. Es wird daher, wenn
eine lebensgefährliche Epidemie in einem Bezirke oder in dessen Nachbarschaft
im In= und Auslande ausgebrochen ist, ebenso zulässig, als geboten sein, nicht
allein nach §. 13 des Regulativs vom 8. August 1835 (G. S. S. 240) alle
ungewöhnlichen Anhäufungen von Menschen an bereits infizirten Orten,
sondern nach Analogie dieser Vorschrift auch ungewöhnliche Anhäufungen und
Massen von Menschen, welche aus infizirten Gegenden kommen oder solche
Gegenden passirt haben, auch wenn sie sich nach einem nicht infizirten Orte
begeben wollen, innerhalb des Bezirks zu untersagen. Unter dieses Verbot
werden dann auch hergebrachte und deshalb einer besonderen Genehmigung
nicht bedürfende kirchliche Prozessionen, Bittgänge und Wallfahrten ausdrück-
lich zu subsumiren sein.
Der §. 10 des mehrerwähnten Vereinsgesetzes steht einem solchen Verbote nicht
entgegen, da jenes Gesetz das Vereins= und Versammlungsrecht lediglich vom Stand-
punkte der gesetzlichen Freiheit und Ordnung regelt, dagegen die Frage unberührt
läßt, inwiefern Versammlungen aus sanitätspolizeilichen Gründen, die auf das
Vereinsgesetz und Versammlungerecht als solches keinen Bezug haben, inhibirt werden
dürfen.
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Krieger- und Begräbnißvereine.
Allerhöchste Kabinetsordre 1) vom 22. Februar 1842 (M. Bl. S. 98), auch durch
die Amtsblätter publizirt.
§. 1. Es wird gestattet, doß bei Leichenbegängnissen solcher in bürgerlichen
Verhältnissen verstorbener Personen, welche früher im Heere und zwar im Kriege mit
Ehren gedient haben, eine kriegerische Leichenfeier eintreten kann, wenn die früheren
Kameraden dem Verstorbenen dadurch ein freiwilliges Zeichen der Achtung geben wollen.
1) Die A. O., betr. die Militär-Begräbnißvereine finden auch in den neuen
Provinzen Anwendung, Ref. 26. April 1882 (M. d. J. I. 1049). Res. 17. Juni 1891
(M. Bl. S. 89) mit Normalsatzungen für Kriegervereine.