892 Abschnitt XVI. Cholera.
Zu Anmerkung 1 auf S. 831.
10. Die Leichen der an Cholera Gestorbenen sind in mit einer desinfizirenden
Flüssigkeit getränkten Tüchern gehüllt einzusargen. Der Sarg muß dicht und am
Boden mit einer reichlichen Schicht Sägemehl, Torfmull oder eines anderen auf-
saugenden Stoffes bedeckt sein. Die Leichen sind thunlichst bald aus der Behausung
zu entfernen, namentlich dann, wenn ein besonderer Raum für die Ausstellung nicht
vorhanden ist. Das Waschen der Leichen ist zu vermeiden. Ihre Ausstellung im
Sterbehause oder im offenen Sarge ist zu untersagen, das Leichengefolge möglichst zu
beschränken und dessen Eintritt in die Sterbewohnung zu verbieten.
Die Beerdigung der Choleraleichen ist unter Abkürzung der für gewöhnliche
Zeiten vorgeschriebenen Fristen thunlichst zu beschleunigen.
Die Beförderung von Leichen solcher Personen, welche an der Cholera gestorben
sind, nach einem anderen, als dem ordnungsmäßigen Beerdigungsorte, ist zu untersagen.
11. In den von Cholera ergriffenen oder bedrohten Ortschaften ist die gesundheies-
polizeiliche Beauffichtigung des Verkehrs mit Nahrungs- und Genußmitteln besonders
sorgfältig zu handhaben. In Ausnahmefällen kann es nöthig werden, Verkaufsräume
zu schließen oder Vorräthe zu vernichten. *!65*“
12. Für reines Trink- und Gebrauchswasser ist bei Zeiten Sorge zu tragen; als
solches ist an Choleraorten das Wasser aus Kesselbrunnen von gewöhnlicher Bauart,
welche gegen Verunreinigung von oben her nicht genügend geschützt sind, nicht an.
zusehen und nicht zu benutzen, wenn vorwurfsfreies Leitungswasser zur Verfügung
steht. Zu empfehlen sind eiserne Röhrenbrunnen, welche direkt in den Erdboden und
in nicht zu geringe Tiefe getrieben sind (abessinische Brunnen). Wasserwerke müssen
einer beständigen Aufsicht unterworfen sein (vergl. Anl. V).
Brunnen, welche nach Lage oder Bauart einer gesundheitsgefährlichen Ver-
unreinigung ausgesetzt sind, sind zu schließen.
Jede Verunreinigung der Entnahmestellen von Wasser zum Trink= oder Haus-
gebrauch und ihrer nächsten Umgebung, insbesondere durch Haushaltabfälle, ist zu
verbieten, insbesondere ist das Spülen von Gefäßen und Wäsche, welche mit Cholera-
kranken in Berührung gekommen sind, an den Wasserentnahmestellen oder in deren
Nähe strengstens zu untersagen.
13. Für rasche Abführung der Schmutzwässer aus der Nähe der Häusfer ist
Sorge zu tragen. In öffentliche Wasserläufe oder sonstige Gewässer sollten Schmutz-
wässer aus Choleraorten nur eingeleitet werden, nachdem Desinfektionsmittel (Anl. VI)
in genügender Menge zugesetzt worden sind und ausreichend lange eingewirkt haben.
14. Vorhandene Abtrittsgruben sind, so lange die Epidemie noch nicht am Orte
ausgebrochen ist, zu entleeren; während der Herrschaft der Epidemie dagegen ist die
Räumung, wenn thunlich, zu unterlassen.
Eine Desinfektion von Abtritten und Pissoirs ist der Regel nach nur an den
dem öffentlichen Verkehr zugänglichen, nach Lage oder Art des Verkehrs besonders
gefährlichen Anlagen dieser Art (Eisenbahnstationen, Gasthäusern u. dgl.) erforderlich.
Auf peinliche Sauberkeit ist in allen derartigen öffentlichen Anlagen zu halten.
15. Die Desinfektionen sind nach Maßgabe der anliegenden Anweisung zu
bewirken. In größeren Städten ist auf die Einrichtung öffentlicher Desinfektions-
anstalten, in welchen die Anwendung heißen Wasserdampfes als Desinfektionsmittel
erfolgen kann, hinzuwirken. Die auf polizeiliche Anordnung erfolgenden Desinfektionen
sollten unentgeltlich geschehen.
16. Eine, etwa nach dem Muster der Anl. VII auszuarbeitende Belehrung über
das Wesen der Cholera und über das während der Cholerazeit zu beobachtende Ver-
halten ist in eindringlicher Weise zur Kenntniß des Publikums zu bringen.
B. Besondere Maßregeln, welche an den einzelnen von Cholera bedrohten oder
ergriffenen Orten zu treffen sind.
Wo rnicht bereits dauernd Gesundheitskommissionen bestehen oder für den Fal.
drohender Choleragefahr vorgesehen sind, sind solche einzurichten. ·
Schon vor Ausbruch der Epidemie sind die Zustände des Ortes in Bezug auf
die im Abschnitt A Nr. 11 bis 14 erwähnten Punkte einer genauen Untersuchung
zu unterziehen und ist auf Beseitigung der vorgefundenen Mißstände unter besonderer
Berücksichtigung der früher vorzugsweise von Cholera betroffenen Oertlichkeiten, hin.
zuwirken, sowie das sonst Erforderliche in die Wege zu leiten.
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