Abschnitt XVI. Syyhilis. 897
Eine besondere Aufmerksamkeit ist hierbei auf solche öffentliche Anstalten zu richten,
in denen eine große Anzahl von Menschen zusammen lebt.
VBei hier ausbrechender Kranlheit kann die Evakuation der Anstalt, theilweise oder
gänzlich erforderlich werden.
Desinfektion.
§. 64. Die Desinfektion der von den Kranken benutzten Effekten und Wohnungen
geschieht nach der in der Anweisung zum Desinfektionsverfahren gegebenen Vorschrift;
und finden hierauf die Bestimmungen der §§. 23 und 27 Anwendung.
7. Die Syphilis.
§. 65. Die Anzeige an die Orts-Polizeibehörde (§. 9) ist nicht bei allen an
syphilitischen Uebeln leidenden Personen ohne Unterschied erforderlich, sondern nur
dann, wenn nach Ermessen des Arztes von der Verschweigung der Krankheit nach-
theilige Folgen für den Kranken selbst oder für das Gemeindewesen zu befürchten
find. In diesen Fällen ist der betreffende Arzt dazu verpflichtet, und eine Vernach-
lässigung seiner desfallsigen Obliegenheiten soll mit einer, in Wiederholungsfällen zu
verdoppelnden Geldstrafe von 15 Mark geahndet werden.
Syphilitisch kranke Soldaten müssen von den sie etwa behandelnden Civil-Aerzten
dem Kommandeur des betreffenden Truppentheils oder dem dabei angestellten Ober-
Arzt angezeigt werden.
§. 66. Verbleibt der Kranke in seiner Wohnung, so findet die §. 18 gegebene
Vorschrift ihre Anwendung.
§. 67. Sollte die Zahl der syphilitisch Kranken an einem Orte, wo nicht bereits
ein geeignetes Krankenhaus vorhanden ist, sehr zunehmen, oder dasselbe aus sonstigen
Gründen erforderlich werden, so ist unter Mitwirkung der Sanitätskommission zur
Aufnahme derjenigen, welche in ihren Wohnungen nicht gründlich geheilt werden
können, ein besonderes Haus einzurichten.
§. 68. Die Reinigung der von der Syphilis Genesenen, so wie der von ihnen
gebrauchten Wäsche, Kleidungsstücke und sonstigen Gegenstände, geschieht nach näherer
Anordnung der Behörde und unter Androhung der §. 27 bestimmten Strafe auf die
in der Anweisung zum Desinfektionsverfahren angegebene Weise.
§. 69. Die Polizeibehörden haben dafür zu sorgen, daß die Aerzte und Wund-
ärzte, besonders die bei den Krankenhäusern angestellten, wenn sie syphilitisch an-
gesteckte Personen in die Kur nehmen, auszumitteln suchen und der Polizeibehörde
anzeigen, von wem die Ansteckung herrühre, damit liederliche und unvermögende
Personen, von deren Leichtsinn die weitere Verbreitung des Uebels zu befürchten und
bei denen ein freiwilliges Aufsuchen ärztlicher Hülfe nicht zu erwarten ist, untersucht,
in die Kur gegeben, und überhaupt die zur Verhütung einer weiteren Verbreitung
des Uebels durch die Umstände gebotenen Maßregeln getroffen werden können.
Dieselbe Verpflichtung liegt auch den Militärpersonen ob.
g. 70. Hinsichtlich der polizeilichen Aufsicht auf diejenigen Personen, von welchen
eine Verbreitung des syphilitischen Uebels vorzugsweise zu besorgen ist, verbleibt es
bei den bestehenden Vorschriften.
§. 71. Ebenso finden die bestehenden gesetzlichen Bestimmungen für die Fälle
wissentlicher oder fahrlässiger Verbreitung der Krankheit ihre Anwendung sowohl auf
männliche als auf weibliche Personen (jetzt §5. 229 fl., 361 No. 6 R. Str. G. B.).
g. 72. Auf die genaue Befolgung des im §. 17 enthaltenen Verbots der Be-
handlung ansteckender Krankheiten durch unbefugte Personen ist mit besonderer Sorg-
falt bei der Syphilis zu halten, und sind die Polizeibehörden und approbirten Me-
dizinalpersonen zur vorzüglichen Aufmerksamkeit in dieser Hinsicht verpflichtet.
Die Apotheker werden auf die denselben gegebenen Vorschriften gegen die Be-
reitung von Arzneien auf Anordnung unbefugter Personen und gegen den Handverkauf
von Arzueimitteln, die Merkurialia und andere heftig wirkende Substanzen enthalten,
verwiesen.
S. 73).
1) Betrifft Verfahren beim Militär.
Zlling-Kautz, Handktuch 1, 7. Aufl. 57