Full text: Handbuch für Preußische Verwaltungsbeamte. Erster Band. (1)

944 Abschnitt XVII. Nahrungsmittel-Gesetz. 
Sie sind befugt, von den Gegenständen der in §. 1 bezeichneten Art, 
welche in den angegebenen Räumlichkeiten sich befinden, oder welche an öffent- 
lichen Orten, auf Märkten, Plätzen, Straßen oder im Umherziehen verkauft 
oder feilgehalten werden, nach ihrer Wahl Proben zum Zwecke der Unter- 
suchung!) gegen Empfangsbescheinigung zu entnehmen. Auf Verlangen ist dem 
  
1) Res. 28. Jan. 1884 (M. Bl. S. 23), betr. die Regelung des Verkehrs 
mit Milch und ihre Kontrolle durch die Polizeibehörden. (Die nach Maßgabe des 
lokalen Bedürfnisses zu treffenden Anordnungen sind den Bezirksregierungen resp. Polizei- 
behörden überlassen. Vom praktischen Standpunkte kommt für die polizeiliche Kon- 
trolle zunächst die Bestimmung des spezifischen Gewichtes der Milch mit Zuhülfenahme 
des Skalen-Aräometers — Laceodensimeter — in Frage. Vorzugsweise diese Art der 
Untersuchung ist bei der polizeilichen Kontrolle der Marktmilch ausführbar, währeud 
die Bestimmung des Rahm= bezw. Fettgehalts oder eine noch weiter gehende chemische 
Prüfung längere Zeit in Anspruch nimmt und nur unter besonderen Umständen 
ergänzend eintreten kann.) 
Res. 12. Aug. 1884 (M. Bl. S. 200), betr. die Methoden Behufs chemischer 
Untersuchung des Weines. 
Als Sachverständiger wird meist nur ein Chemiker und zwar gewöhnlich der 
nächste Apotheker gehört. Die Untersuchung einer Anzahl von Nahrungs= und Genuß- 
mitteln, z. B. von Wein und Bier, ist aber in den meisten Fällen so schwieriger 
A#,daß sie zweckmäßiger Weise nur solchen Chemikern anvertraut werden kann, 
welche ausreichende Erfahrung gerade auf den in Rede stehenden Gebieten 
besitzen. Der Chemiker hat aber auch ferner nur die Aufgabe, darüber Auskunft zu 
geben, wie die von ihm untersuchten Waaren chemisch zusammengesetzt sind, wogegen 
die weiteren Fragen: ob die Waare in solcher Zusammensetzung gesundheitsschädlich 
und ob sie „zum Zwecke der Täuschung im Handel und Verkehr“ (§. 10 des Ges.) 
verfälscht ist, nicht zu seiner Beurtheilung stehen. Es ist daher erforderlich, daß diese 
Fragen in allen irgend zweifelhaften Fällen von ärztlichen, bezw. von gewerblichen, 
speziell mit den Gewohnheiten des betreffenden Industriezweiges vertrauten Sach- 
verständigen entschieden werden. Die im Reichsgesundheitsamt im Jahre 1877 aus- 
gearbeitete Denkschrift (Drucksachen des Reichstages, 4. Legislaturperiode II. Session 
1879, Nr. 7 S. 29 ff.) ist ohne Zuziehung von Vertretern des Handels und der 
Gewerbe entworfen und trägt daher den Anforderungen der letzteren nur wenig 
Rechnung. Das Nahrungsmittelgesetz will aber nach dem Wortlaute des §. 10 nur 
solche Verfälschungen bestrafen, welche „zum Zwecke der Täuschung im Handel und 
Wandel“, d. h. den berechtigten Gewohnheiten von Handel und Gewerbe 
zuwider vorgenommen werden. Die Interpretation des §. 10 führt, wenn fie sich 
ausschließlich auf die von ganz anderen Gesichtspunkten ausgehende Denkschrift stützt, 
nicht selten weit über diese wichtige und sachgemäße Schranke hinaus. Bei der hohen 
Wichtigkeit, welche der Gegenstand für die gewerblichen und industriellen Kreise hat, 
dürfen bei der Handhabung des Nahrungsmittelgesetzes die vorstehend angedeuteten 
Sschunee nicht außer Acht gelassen werden, Res. 14. Sept. 1883 (M. Bl. 
Neuerdings ist auf die Ausbildung besonderer Nahrungsmittelchemiker großer 
Werth gelegt worden. Im Anschlusse an die Bek. 6. Febr. und 17. April 1895 
(C. Bl. U. V. S. 253 und 398), betr. die Einsetzung von Kommissionen zur 
Prüfung von Nahrungsmittelchemikern und die Bezeichnung der Anstalten, an welchen 
die nach der Prüfungsordnung nachzuweisende praktische Ausbildung erworben werden 
kann, sind durch Res. 10. Mai 1895 (C. Bl. U. V. S. 433) zur weiteren Aus- 
führung des Bundesrathsbeschl. 22. Febr. 1894 folgende Bestimmungen getroffen 
worden: 
1. Den Prüfungen sind die hier nicht abgedruckten Vorschriften zu Grunde zu 
legen. Mit denselben wird zugleich das vollständige Verzeichniß der Mitglieder der 
in Funktion getretenen Vorprüfungs= und Hauptprüfungskommissionen bekannt gegeben. 
2. Den als Leiter öffentlicher Anstalten zur Untersuchung von Nahrungs= und 
Genußmitteln bereits angestellten Sachverständigen kann bis zum 1. Oktober d. J. der 
Befähigungsausweis unter Verzicht auf die vorgesehenen Prüfungen und deren Vor- 
bedingungen ertheilt werden; Leitern anderer als staatlicher Anstalten der vorbezeichneten 
Art kann diese Vergünstigung nur zu Theil werden, wenn sie nicht mit ihrem Ein-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.