Abschnitt XVII. Nahrungsmittel-Gesetz. 947
1. wer zum Zwecke der Täuschung im Handel und Verkehr ) Nahrungs-
oder Genußmittel nachmacht oder verfälscht?);
Zu Anmerkung 3 auf S. 946.
eine Ungenießbarkeit des verkauften Fleisches durch innere Zersetzung nachgewiesen ist,
Erk. R. G. 5. Okt. 1881 (E. Crim. V. 290). (In casu war der Angeschuldigte
ungerechtfertigter Weise freigesprochen worden, weil der Instanzrichter angenommen
hatte, daß das zum Verkauf gebrachte finnenhaltige Schweinefleisch nicht als verdorben
bezeichnet werden könne, nachdem ihm mittelst der Einlegung in Salzauflösung nicht
nur, wie anzunehmen, die Gesundheitsschädlichkeit benommen, sondern auch sein
Uebergang in den Zustand der Ungenießbarkeit durch innere Zersetzung verhindert
worden war.)
Die bloße Ansicht des Publikums, daß ein Nabrungsmittel minderwerthig oder
mindertauglich sei, genügt nicht; die objektive Eigenschaft, wodurch eine die Benutzung
des Nahrungsmittels zur Nahrung beeinträchtigende Wirkung thatsächlich herbeigeführt
wird, ist entscheidend, Erk. 28. Sept. 1895 (E. Crim. XII. 407).
Die Nummern 1 und 2 im S§F. 10 können neben einander in realer Konkurrenz
zur Anwendung gebracht werden, Erk. 13. März 1884 (E. Crim. X. 198).
4) Im Fabrikbetrieb ist Thäter der Fabrikunternehmer, Geschäftstheilnehmer find
Mitthäter, wenn sie nach gemeinschaftlichem Entschlusse einen auf die That des §. 10
gerichteten Betrieb unternehmen, E. Crim. III. 274.
1) Die Anwendung des §. 10 Nr. 1 ist nicht auf den Fall beschränkt, daß der
Fabrikant das gefälschte Nahrungsmittel noch nicht in Verkehr gebracht hat.
Hat übrigens der Versälscher seine Fabrikate auch noch in Verkehr gebracht, so
wird seine Straffälligkeit nach Ziffer 1 bei Beurtheilung der Frage, ob die Ver-
fälschung zum Zwecke der Täuschung stattgefunden, nicht schon dadurch ausgeschlossen,
daß er seine nächsten Abnehmer nicht getäuscht hat, noch täuschen wollte. Sie setzt
nicht Täuschungshandlungen bestimmten Personen z. B. den nächsten Abnehmern
gegenüber voraus; sie liegt auch dann vor, wenn die Fabrikation bewußtermaßen dazu
dient, das konsumirende Publikum zu täuschen, E. Crim. III. 270, 274;
XXV. 117.
Das Gesetz fordert nur den Willen des Verkäufers, einen gesundheits-
schädlichen Verzehrungsgegenstand als Nahrungsmittel für Menschen in den Verkehr
zu bringen, nicht aber den Willen des Erwerbers oder den Erfolg der Erwerbung
als menschliches Nahrungsmittel, Erk. R. G. 25. Jan. 1882 (Rechtspr. IV. 67).
2) Das „Nachmachen“ ist der Akt der Herstellung einer Sache in der Weise und
zu dem Zwecke, daß sie eine andere Sache zu sein scheint (vergl. E. Crim. XXIV. 240).
Auch die Verfälschung ist ein Akt, der an der Sache vorgenommen sein muß, indem
sie durch Zusatz oder Entziehen von Stoffen einer substantiellen Aenderung unter-
worsen wird. Solche Fälle, in denen weder ein Gegenstand dem anderen (echten) in
der Weise nachgebildet worden ist, daß er den Schein, das Aussehen, obschon nicht
das Wesen des anderen hat, noch die Beschaffenheit der Sache selbst, die verkauft oder
feilgehalten wurde, einer Einwirkung unterworfen worden, sondern es sich aus-
schließlich um ihre Bezeichnung handelt, gebhören also nicht unter die Straf-
vorschrift des §. 10 Nr. 2. Sie können den Thatbestand eines Betruges enthalten,
wenn eine Vermögensbeschädigung der Käufer beabsichtigt oder herbeigeführt worden
ist. Nach der Vorschrift des §. 10 Nr. 2 liegt der subjektive Thatbestand des Ver-
gehens nicht anders vor, als wenn der Beschuldigte um eine Eigenschaft des Gegen-
standes als eines verdorbenen, nachgemachten oder verfälschten gewußt
und seine Kenntniß dieser Eigenschaft dem Käufer verschwiegen oder ungeachtet dieser
seiner Kenntniß den Gegenstand unter einer zur Täuschung geeigneten Bezeichnung
feilgehalten hat, Erk. R. G. 14. Juli 1881 (E. Crim. V. 434). (In casu hatten
die in der Revisionsinstanz freigesprochenen Angeschuldigten Rübenzucker, der von
anderen fabrizirt war, als Kolonialzucker öffentlich empfohlen und unter dieser
Bezeichnung in ihrem Laden seilgehalten und verkauft.)
Im Uebrigen können die Begriffe „Nachmachen“ und „Verfälschen“ unter sich
nicht scharf abgegrenzt werden, sie gehen vrelmehr in einander über, E. Crim. XIV.
332; XXI. 459; z. B. bei Bereitung von Würsten mit schlechteren Bestandtheilen,
als ortsüblich, Erk. R. G. 15. Mai 1882 (Rechtspr. IV. 485); Anfertigung von
Würsten aus Hundefleisch, E. Crim. XXI. 437; Aufquellen von Kaffeebohnen, um
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