1300 Abschnitt XLI. Kirchen und geistliche Gesellschaften.
§. 38. Schmähungen und Erbitterung verursachende Beschuldigungen müssen
durchaus vermieden werden.
Gegen ihre Mitglieder.
§. 39. Protestantische Kirchengesellschaften des Augsburgschen Glaubens-
bekenntnisses sollen ihren Mitgliedern wechselseitig die Theilnahme auch an ihren
eigenthümlichen Religionshandlungen nicht versagen, wenn dieselben keine Kirchen-
anstalt ihrer eignen Religionspartei, deren sie sich bedienen können, in der-
Nähe habent9.
§. 40. Jedem Bürger des Staats, welchen die Gesetze fähig erkennen, für
sich selbst zu urtheilen, soll die Wahl der Religionspartei, zu welcher er sich.
halten will, frei stehen. (Tit. 2 §§. 74 sqd.)7.
§. 41. Der Uebergang von einer Religionspartei zu einer anderen geschieht
in der Regel durch ausdrückliche Erklärung#).
§. 42. Die Theilnehmung an solchen Religionshandlungen, wodurch eine
Partei sich von der andern wesentlich unterscheidet, hat die Kraft einer aus-
drücklichen Erklärung, wenn nicht das Gegentheil aus den Umständen deutlich.
erhellet (S. 39). Z Z
8. 43. Keine Religionspartei soll die Mitglieder der andern durch Zwang
oder listige Ueberredungen zum Uebergange zu verleiten sich anmaßen.
§. 44. Unter dem Vorwande des Religionseifers darf Niemand den
Hausfrieden stören, oder Familienrechte kränken.
§. 45. Keine Kirchengesellschaft ist befugt, ihren Mitgliedern Glaubens-=
gesetze wider ihre Ueberzeugung aufzudringen.
§. 46. Wegen der äußeren Form und Feier des Gottesdienstes kann jede-
Kirchengesellschaft dienliche Ordnungen einführen").
Fi.00, Jedes Mitglied einer Kirchengesellschaft ist schuldig, sich der darin
eingeführten Kirchenzucht zu unterwerfens).
1) Durch die mittels der s. g. Union, Kab. O. 27. Sept. 1817 angestrebte und
fast durchgängig erreichte Bereinigung der Lutheraner und Reformirten zu einer ein-
heitlichen Kirchengemeinschaft ist der Paragraph von wesentlicher Bedentung nicht mehr.
Vergl. Kab. O. 30. April 1830 (G. S. S. 64) und E. O Trib. XIII 287 über
einzelne Wirkungen der Union; ferner Kab. O. 28. Febr. 1834 (v. Kamptz, Anm.
XVIII. 74); Kab. O. 6. März 1852 (Aktenstücke E. O. K. H. 5 S. 2); Kab. 12. Juli
1853 (das. H. 6 S. 5); Kab. O. 11 Okt. 1953 (das. H. 7 S. 1); Erk. O. Trib.
8. Febr. 1868 (J. M. Bl. S. 108); Verf. E. O. K. 30. Jan. 1858 (J. M. Bl.
S. 267); 22. Febr. 1864 (K. G. u. V. Bl. 1878 S. 172).
2) Dazu erging Dekl. 21 Nov. 1803, wonach eheliche Kinder jedes Moel in der
Religion des Baters unterrichtet werden sollen, und zu Abweichungen kein Ehegatte
den anderen durch Verträge verpflichten darf. Anwendung dieser Grundsätze in den
westlichen Provinzen, Kab. O. 17. Aug. 1825 (G. S. S. 221). 5.78 A. L. R. II. 2
ist dadurch nicht berührt.
Näheres in den Ausführungen in Aum. 2 oben Bd. II S. 1226.
2) Ueber den Austritt aus der Kirche vergl. Ges. 14. Mai 1873 unten S. 1369.
Die §§. 41, 42 beziehen sich nicht blotz auf die Wechsel innerhalb der evang. und
kath. Kirche, sondern auch anderer mit Korporationsrechten versehener Religionsgesell-
schaften, so Herrnhuter, Altlutheraner Str. Arch. XXXIV. 353, XLl. 207 (indessen
auch wegen Gesellschaften, die erst nach der Verf.-U. Korporationseigenschaft erworben
haben, Hinschins Preuß. Kirchenr. S. 31). Wegen fortdauernder Gültigkeit der 88,
aber auch des weiteren Erfordernisses für Befreiung von Lasten durch den Uebertrit
s. 5. 1 Abs. 2 und 3 und §. 8 Ges. 14. Mai 1873. Die Erklärung nach 8. 41
ist an eine Form nicht gebunden.
4) Bergl. jetzt K. G. u. Syn. O. 10. Sept. 1873 8SFS. 15, 53, 2, 56, 2, 3;
Gen. Syn. O. S. 7, 3; Ges. 3. Juni 1876 (G. S. S. 125). S§. 47—49 find
dadurch veraltet.
5) Vergl. Ges. 14. Mai 1873 (G. S. S. 205) unten S. 1369. 8S§. 51—57
sind dadurch aufgehoben.