Abschnitt XLI. Vorschriften über Kirchen- u. Schulabgaben. 1367
1. Alle beständige dingliche, oder persönliche Abgaben und Leistungen,
welche an Kirchen und öffentlichen Schulen, oder an deren Beamte, ver-
möge einer allgemeinen gesetzlichen, oder auf notorischer Orts= oder Be-
zirksverfassung 1) beruhenden Verbindlichkeit zu entrichten sind, desgleichen
die Forderungen öffentlicher Schul= und Erziehungs-Anstalten an Schul-
und Pensionsgeld, unterliegen bei Säumigkeit der Debenten sowohl hin-
sichtlich der laufenden als der aus den letzten zwei Jahren rückständig
verbleibenden Beträge der exekutivischen Beitreibung durch die betreffende
Verwaltungsbehörde. · «
2. Die exekutivische Beitreibung wird gehemmt, wenn der in Anspruch Ge-
nommene eine Exemption behauptet und wenigstens seit zwei Jahren,
“ letten Verfalltermine zurückgerechnet, im Besitze der Freiheit sich
efindet.
3. Das rechtliche Gehör:) bleibt nach Vorschrift des §. 79 u. f. Tit. 14 Th.
II. des Allgem. Landr., der Verordnung vom 26. Dezember 1808 6S§.
41 u. 42, einem Jeden verstattet, der aus besonderen Gründen die Be-
freiung von einer solchen Abgabe oder Leistung geltend machen will,
oder in der Bestimmung seines Antheils, über die Gebühr belastet zu
sein, behauptet. -
4. In Betreff der, aus besonderen Kontrakten oder testamentarischen Dis-
positionen auf Grundstücken haftenden jährlichen Abgaben an Kirchen
und Schulen (8. 480 Tit. 60 der Prozeß-Ordnung) findet die Exekution
nicht sofort statt, es muß vielmehr, wenn sie eingetragen sind, der
Mandatsprozeß3), und wenn sie nicht eingetragen sind, der Bagatell-
oder summarische Prozeß nach näherer Anleitung der desfallsigen gesetz-
lichen Bestimmungen, vorausgehen.
5. Wegen aller andern Forderungen der Kirchen= und Schulbedienten findet,
wenn sie mit einem Festsetzungsdekrete verfehen sind, der Mandatsprszen
sonst der Bagatell= oder summarische Prozeß, nach Vorschrift der Ver-
ordnung vom 1. Juni 1833, statt 0.
6. Die Forderungen ordnungsmäßig konzessionirter Privat-Schul= und
Erziehungs-Anstalten an rückständigem durch ihren Einrichtungs-Plan
festgetztem Schul= oder Pensionsgelde aus dem Zeitraume eines Jahres
von Einreichung der Klage zurückgerechnet, dürfen im Wege des Mandats-
prozesses eingeklagt werden.
7. Mit gleicher Zeitbeschränkung soll dieses Vorrecht auch den Forderungen
der Medizinalpersonen und Apotheker für ihre Besuche, Operationen und
Arzneimittel zustehen. Die Liquidationen müssen jedoch von den ärzt-
lichen Personen aller Klassen mit spezieller Angabe der Dienstleistungen
und mit Berechnung einer jeden Dienstleistung nach den Bestimmungen
1) Um den Begriff einer auf notorischer Orts= oder Bezirksver fassung be-
ruhenden Berbindlichkeit darzustellen, ist zwar nicht erforderlich, daß die desfallsige
Verbindlichkeit eine durchaus allgemeine sei, auf allen Grundstücken ohne Unterschied
ruhe. Damit sich aber eine Orts= oder Bezirksverfassung bilde, ist unerläßlich,
daß bestimmte, in sich erkennbare Merkmale gegeben sind, welche darüber entscheiden,
zu welcher Klasse, ob zu der verpflichteten oder zu der befreiten, dieses oder jenes
Grundstück zu berechnen ist. Ohne ein solches entscheidendes Merkmal läßt sich von
einer Bezirks= oder Ortsverfassung nicht sprechen, da vielmehr nur davon die
Rede sein kann, ob auf diesem oder jenem Grundstücke die fragliche Leistung als
Realabgabe ruhe, Erk. Komp. G. H. 20. Okt. 1855 (J. M. Bl. 1856 S. 8), vergl.
auch J. M. Bl. 1855 S. 135 u. 139. »
Vergl. §. 15. G. 24. Mai 1861, durch den der Rechtsweg wegen der auf
notorischer Orts= oder Bezirksverfassung beruhenden und exekutivisch erhobenen Kirchen-
abgaben unbedingt gestattet ist.
2) Die Nr. 3 ist aufgehoben durch §. 16 G. 24. Mai 1861.
:) Der Mandatsprozeß ist aufgehoben durch die deutsche Civilprozeßordnung.
4) Seit dem Inkrafttreten der Civilprozeßordnung ist nur der Rechtsstreit im
ordeutlichen Verfahren zulässig, 5§. 230 f., 456 ff. C. Pr. O., event. das Mahnver-
fahren gemäß 8§. 628 ff. C. Pr. O.